Freitag, Dezember 14, 2012

Was ist drin für mich? - Fotos & Stories


Thomas Eigel 
Traveller SUDU 5363476, 2008/2011

"Dies ist kein Container." So oder ähnlich könnte man das Foto betiteln, das Teil der Serie Traveller ist, die der deutsche Fotograf Thomas Eigel 2008 bis 2011 in 39 Teilen produziert hat. Zu sehen sind akkurat ausgeleuchtete und belichtete Ansichten von handelsüblichen Containern, wie sie auf den riesigen Transportschiffen rund um die Welt handelsüblich geworden sind.

Es sind Aufnahmen von Ansichten, die in keiner Sekunde mehr sein wollen, als zu sehen ist, und die sich dabei auf den rätselhaften Charme des Gegenstandes verlassen. Erzählen sie eine Geschichte? Dazu fehlen die Elemente, an denen man eine Geschichte festmachen könnte. Faszinieren sie durch ihre ausgefallene Form oder Farbe? Auch das nicht, weil die Fotos einfach nur zeigen, was zu zeigen ist, ohne irgendetwas hinzuzufügen, das über den gezeigten Gegenstand hinaus weisen könnte. So verlieren die Gegenstände rasch ihre gegenständliche Funktionalität und werden im Moment des Betrachtens zu etwas Anderem. Sie zeigen sich als Form, als Farbe, als Komposition, die das Ergebnis effektiven Denkens ist. Hier hat nicht die ästhetisierende Hand des Künstlers gewirkt, sondern die des Produktdesigners, der vor allem die Funktionalität im Blick hatte.

So macht das Foto des Containers keinerlei Angebote, mehr in ihm zu sehen, als ein riesiges Transportbehältnis. Der Container ist da völlig spartanisch ganz bei sich und kommuniziert nur sehr zurückhaltend mit dem Betrachter. Der, ohne Unterschied zwischen Realleben und Galerie, rätselt vermutlich über die kryptischen Aufschriften, die er nicht zu deuten vermag. Damit wiederholt sich wieder etwas, was der Betrachter im realen Leben, etwa beim Besuch im Hamburger Hafen auch schon erfuhr. Er schaut auf Gegenstände, deren Funktion ihm zwar grundsätzlich vertraut ist, deren Bestimmungsort und Dienlichkeit er aber keineswegs entschlüsseln kann. Vor seinen Augen findet gewissermaßen die Transformation von der klar feststellbaren Funktion zu seiner ästhetischen Erscheinung statt. 

Diese Transformation bleibt ganz und gar in dieser puren Sprache, die sich klassisch auf die Formen und ihre Farben verlässt. Kritik an der Globalisierung? Nicht erkennbar. Ebensowenig ihr Gegenteil. Faszination der Dimension und der Größe des Gegenstandes? Nein, jedenfalls nicht, wenn es um die gewohnte Zurschaustellung größter und ungewöhnlichster Gegenstände geht. Diese Container bleiben einfache Container, der Fotograf gibt mit keinem Hinweis zu erkennen, dass er möglicherweise andere als ästhetische Motive hatte, sie zu fotografieren. Und doch scheint dieses Konzept aufzugehen und der Betrachter sieht mehr als den belanglosen Gegenstand. 

"Dies ist kein Container," diese Erkenntnis bleibt wahr. Die Welt allerdings ist mehr als nur eine Ansammlung von Funktionen, Korrelationen, Destinationen, Regeln und Maßen. Die Welt ist das auch, aber daneben eben auch eine Fülle von Perspektiven und Formen, Gestaltung und Prägung. Und von allem, was dazwischen liegt. Anders wäre die Fotografie eines Sonnenunterganges oder eines schneebedeckten Berggipfels im Sonnenschein eben auch nichts Anderes als eben dies. Das Foto eines Containers behauptet dabei nicht, es von seiner Wirkung und seiner Aufladung mit der Bedeutung von Sonnenuntergängen oder Berggipfeln aufnehmen zu können; aber am Ende behauptet es sich neben diesen. Und verzichtet Dank seiner Herkunft und Natur auf jedes Zitat oder jede Anspielung auf andere Anwendungen. 

Der Begriff der Schönheit sucht sich seine Objekte in unserer Welt, in unserer Kultur, unserer von Menschen geschaffenen Welt voller Zielgerichtetheit und Effizienzdenken. Dabei verschont er uns aber mit jedem zynischen Spiel, das die ästhetische Gestaltung mit der Bedeutung des dargestellten Sujets mischt, wie es die dokumentarische Fotografie so gern und so oft tut, um ihren Job zu erledigen. Die Bezeichnung als Traveller könnte dabei dem puristischen Spiel einen Strich durch die Beurteilung machen, wenn man der Verführung erliegt, dem Foto den Wert eines Beleges zu geben, eines Beweises für unsere Vernetztheit oder Globalität: All das steckt in der Betriebsanleitung des Containers, nicht aber in diesem Foto.
"Dieser Container ist ein Container ist ein Container." Das Wesen dieser Fotoserie ist die Redundanz. Hüten wir uns davor, sie zu verklären. Sie könnte uns den Weg zu neuen Erkenntnissen verstellen und als ewiges Selbstzitat in die Sackgasse führen. Aber als Selbstzitat überzeugt es.

Keine Kommentare: