Sonntag, Dezember 30, 2012

Kassandras Comeback - 2013 ff


2012 ist bald zu Ende und wir sind noch einmal allen Unkenrufen zum Trotz noch einmal davon gekommen. Davon gekommen? 
Der für Dezember 2012 angekündigte Weltuntergang ist nicht eingetreten, man lächelt drüber und geht zur Tagesordnung der Jahre 2013 folgende über. Und die sieht bei näherer Betrachtung nicht viel weniger dramatisch aus, als es die angeblichen Maya-Prophezeiungen je sein konnten. Es ist, als feierte Kassandra fröhliche Urständ und würde uns auf unabsehbare Zeit die Stimmung vermiesen. Bei nüchterner Betrachtung kann man zwar auch den Schluss ziehen, dass das Jahr zu Ende geht, wie es begonnen hat, alle Welt betroffen und alle Fragen offen, aber diese Feststellung macht das Fazit nicht erträglicher.

Die Bundesregierung in Person des Finanzministers hat dieser Tage die Euro-Krise bereits für beendet erklärt. Gut zu wissen, dass es an so hoher Stelle soviel Optimismus zu geben scheint. Zu dumm nur, dass 2013 ein Wahljahr ist und deshalb die bleierne Wirkung der ewigen Eurokrise ihre Wirkung auf den Wähler nicht verfehlen könnte. Man mache sich klar: Inklusive der Lehmann- und Banken-Krise seit 2008 befinden wir uns seit mehr als vier Jahren im Krisenmodus. Und manche der Probleme in Griechenland sind auf deren Wunsch hin zunächst einmal lediglich vertagt, beziehungsweise verzögert worden, aber beileibe nicht gelöst. 
Mögliche Probleme anderer Staaten sind wie zuvor die der Griechen, Spanier, Iren oder Zyprer nicht bekannt. Die Realwirtschaften melden noch keine oder kaum Erholung und Wiederherstellung ihrer Leistungsfähigkeit, noch kämpft man mit den Eliten um Privilegien und Reformen. Und dieser Streit ist noch lange nicht ausgestanden, ebenso wenig wie bekannt ist, wann die nationalen Wirtschaften wieder Fuß fassen. Noch viel weniger ist bekannt und entschieden, zu welchen sozialen Kosten dies geschieht, wenn es geschieht.  Selbst ein erholtes Europa in etwa fünf Jahren ist nicht mehr das Europa, das es einmal war, als man sich dynamisch und unaufhaltsam auf dem langen langen Weg zum Vereinigten Europa sah. Die nationalen Gesellschaften werden zunächst ihren inneren Preis zu zahlen haben, bevor sie sich wieder auf die Europa-Utopie werden einlassen können. In Deutschland hat die FDP bereits Signale ausgesandt, dass es notwendig sei, den Haushalt zu sanieren indem man weiter privatisiere. Nicht der Vorschlag ist so interessant, sondern die Ursachenanalyse ist es. Es scheint so, als müsse Deutschland am Ende doch spürbar einen Preis für die vielen Rettungsmilliarden der letzten Jahre zahlen und als könnte es bald vorbei sein mit der Behauptung, dass Deutschland in der Krise stärker geworden sei, als es vor der Krise war. Allein der Widerspruch in der Bundesregierung muss misstrauisch stimmen und hellwach werden lassen.

Die Verhältnisse am Hindukusch sind nur scheinbar geregelt. 2014 endlich sollen die deutschen Soldaten dort abrücken und lediglich noch Schulungsaufgaben versehen. Tatsache ist, dass dann 13 Jahre Krieg in Afghanistan mit deutscher Beteiligung völlig vergebens gewesen sein werden. Wenn Deutschland am Hindukusch verteidigt wird und wurde, dann haben wir diese Verteidigung nicht hinbekommen. Dann ist diese Schlacht verloren worden und die Folgen noch offen. Sich beruhigt zurücklehnen angesichts dieser Erwartungen des Rückzugs ist allerdings nicht möglich, weil Afghanistan bereits Nachfolger gefunden hat: Syrien schickt sich an, der Krisenherd der näheren Zukunft zu werden, schon sind deutsche Soldaten an der türkisch-syrischen Grenze stationiert. Schon denkt man in Teilen der NATO über ein weitergehendes militärisches Engagement dort nach. 

Schwarzafrika ist und bleibt ein Unsicherheitsfaktor. Im Kongo wolle man ebenfalls helfen, sagte die Bundesregierung und weitete den eigenen militärischen Aktionsradius immer weiter aus. Dabei sollten die vergangenen 12 Jahre des Kriegs gegen den Terror bewiesen haben, wie sinnlos diese Art der kriegerischen Lösung eines politischen oder kulturellen Konfliktes ist. Der Waffengang im Irak und in Afghanistan hat nicht eine der Ursachen aus der Welt schaffen können, derentwegen offensichtlich die USA und die Industriestaaten in Teilen der Welt so verhasst sind. Statt dessen hat man versucht, die Segnungen westlicher Demokratie und Lebensart militärisch zu exportieren und durchzusetzen. Und genau dies kann nicht funktionieren. 

Wer es für ein zynisches Gedankenspiel hält, sich nicht in einen regionalen innerstaatlichen Konflikt hinein ziehen zu lassen, um nicht zusätzlich für Destablisierung Vorort zu sorgen, der übersieht, dass jede noch so gut gemeinte Rettungsaktion für die Unterlegenen eines regionalen Konfliktes nur zu noch mehr Gewalt und einer Verlängerung des Konfliktes führt. Es ist ein unauflösbares Dilemma, in dem der Westen Gefahr läuft, sich in seinen eigenen Dogmen von Demokratisierung, Friedfertigkeit und Toleranz rettungslos zu verstricken, wenn sich niemand findet, der sich nach diesen Kriterien seinen Machtanspruch im Land streitig machen lassen will. Eine militärische Intervention, auch eine im Namen der Humanität, bedeutet am Ende eine Eskalation des Konfliktes, eine Verdrängung oder eine Fortsetzung. Selbst wenn, wie in Libyen geschehen, der Ursprungskonflikt mit Waffengewalt beendet und entschieden werden kann, ist eben gar nicht sicher, wie der weitere Verlauf der Geschichte sein wird. Libyen und vor allem Ägypten sind beredte Beispiele dafür, dass die inneren Machtverhältnisse und politischen Ideologien nicht unter dem Einfluss der westlichen Wertvorstellungen stehen müssen. Diesen Gegensatz werden wir lernen müssen auszuhalten, wenn wir in Zukunft weniger Krieg, weniger Tote, weniger Gewalt wollen.

Mag sein, dass dazu auch die neue Vorstellung einer neuen Aufteilung der Welt gehört. Wir haben uns in den zurück liegenden Jahren bereits daran gewöhnt, dass vor allem China mehr und mehr auf die Position der Weltmacht Nummer eins drängt. Eine befremdliche Vorstellung für jene, die Zeit ihres Lebens daran gewöhnt waren, die USA vorne zu sehen und damit den eigenen Wertekanon. Künftig wird das anders sein. Erst recht, wenn sich mit China, Indien, Brasilien, Südafrika und Russland ein völlig neues Machtgefüge etabliert, das andere Vorstellungen vom Lauf der Weltgeschichte hat, als die alten Mächte aus Amerika und Europa. Im zerstrittenen, krisengeschüttelten Europa macht man sich davon keine wirklichen Vorstellungen. Und was in den Ländern geschehen wird, wenn die rasende ökonomische Entwicklung ihre sozialen Folgen zeitigen wird, steht noch in den Sternen. China und Russland sind autoritär geführte und durchkultivierte Gesellschaften, Indien, Brasilien und Südafrika sind multinationale, teils höchst labile Gesellschaften - niemand kann vorhersagen, wie es dort in den nächsten zehn Jahren weitergehen wird.

Nicht der Weltuntergang droht, wahrscheinlich nicht. Aber wir werden uns schleunigst auf den Wandel vorbereiten müssen. Ein Wandel, der längst begonnen hat und 2013 noch lange nicht am Ende sein wird. Und in einem Jahr suchen wir wieder nach den winzigsten Veränderungen. Let's go, 2013!

Foto: pixelio.de

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