100 Jahre "Morgue und andere Gedichte", März 1912
Gottfried Benn 2.5.1886 – 7.7.1956
Es ist eines der meist gebrauchten
Klischees über einen der wohl wichtigsten deutschen Dichter,
Gottfried Benn, dass er ganz wie einem seiner Gedichte vorhergesagt,
im Hochsommer starb, als der Boden von der Sonne durchglüht leicht
war für den Spaten.
So und ähnlich verfolgen den Dichter
Benn eine Vielzahl von Klischees, die die dichterische Leistung des
Mannes herabzusetzen geeignet und manchmal auch gemacht sind. Benn
hat dazu jede Menge Anlass gegeben. Er war ein Sonderling, ein
Egozentriker mit ungeheurem Geltungsdrang und einem gewaltigen Ego.
Dabei war er unleidlich, launisch und oft genug sozial unverträglich.
Er war ein Dandy und Womanizer, ein Meister der Wortakrobatik und
dabei ein unvollkommener Denker, ein begabter Assoziierer, ein
Eklektiker, der in einem ekstatisch Wortschwall versuchte, ein wenig
Ordnung in seine Sicht der Dinge zu bringen. Immer wieder gelangen
ihm Wendungen von einer so schlichten, eindringlichen Schönheit,
dass man nur mehr stumm werden mag, so wie es große Leistungen immer
wieder erfordern.