Illu.: Gerd Altmann/pixelio |
Forever in motion...
Bloggen
ist keine Kunst. Oder doch? Was auf Kunstwerke, wie die bei der
documenta gezeigten, zutrifft, könnte man auch auf das Bloggen
anwenden: In einer Zitatesammlung irgendwo im Netz fanden sich die
meist gebrauchten Urteile über moderne Kunst. Darunter sind solch
erlesene Perlen überlegener Denkmuster wie "Das kann meine
Katze besser" oder "Im Kindergarten meines Sohnes wird
besser gemalt" oder auch - immer wieder gerne genommen - "und
mit so was kann man Geld verdienen?" Lassen wir mal die Frage
beiseite, wieviel Wahrheit und Erkenntnisdrang in diesen Zitaten
stecken könnte, so wäre es ein Leichtes, die Sprüche auf das
Bloggen zu übertragen.
In der Tat zeichnet sich das Bloggertum durch eine ungeheure Vielfalt von Beweggründen, Machart und Themen aus. Blogger, so lehrt die Internetempirie, sind nicht gleich Blogger. Wer sie über einen Kamm schert, liegt nie richtig. Damit ist es also das Gleiche wie im richtigen Leben, denn die Vielfalt allein garantiert noch keine gleichbleibende Qualität. Hier wie dort ist diese unüberschaubare Vielfalt vielmehr nur schwer zu ertragen, solange man sie nicht wissenschaftlich, quasi-wissenschaftlich oder auch nur ordnungsgetrieben kategorisiert und katalogisiert hat.
Die Devise
lautet „anything goes!“ Und nie zuvor ist eine Devise so
konsequent und beinahe skrupellos umgesetzt worden. Es wird gebloggt,
getwittert, kommentiert und gepostet, was das Zeug hält und das Netz
aushält. Und da das Netz offensichtlich jede Menge aushält, finden
sich so unendlich viele, unendlich unendliche Blogs im Netz, die vor
sich hinexistieren und meistens niemandem wehtun, manchmal aber auch
sehr ambitioniert daher kommen. In den alten Tagen, als das Schreiben
und Nachdenken-können noch die Bedingung für einen gewissen
publikumswirksamen Ausstoss an schriftlichen Erzeugnissen gewesen
ist, war entweder die Pressemeldung oder das Buch, wenigstens aber
ein Aufsatz in einer Fachzeitschrift der gängige Versuch, seinen
Gedanken Gehör zu verschaffen.
Das Netz hat hier völlig andere Regeln geschaffen, beziehungsweise zugelassen, und durch die Minderung der Zugangsprobleme den Meingsoutput beträchtlich erhöht. Leider allerdings kommt immer noch die Lust an der Meinungsäußerung vor der Kompetenz zur Meinungsäußerung. Das heißt in letzter Konsequenz, dass der allergrößte Teil des Blogger-Wesens getrost ignoriert und meist auch gerne vergessen werden kann. Solange der Blogger keinen bleibenden Schaden anrichtet und volksverhetzende Parolen verfasst und ähnlich dummes Zeug erzeugt, solange kann man die Backrezepte und Reiseerlebnisse dort stehen lassen, wo sie stehen, im Nirwana der Zielgruppen und Peer Groups, irgendwo im Netz, irgendwo im Internetkosmos.
Bloggen im Internet-Nirwana?
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Unter
mehr sportlichen Gesichtspunkten allerdings wäre es spannend zu
beobachten, wie der Wettlauf um die besten Plätze im Karriere- und
Teilhabekarussell verläuft und welche hervorragenden Ergebnisse
dabei herauskommen. Dabei ist es entscheidend, wie spezifisch,
themenzentriert oder aktuell der Blog ist. Je genauer beschrieben und
je präziser zugeschnitten auf Thema und Leserschaft, dürfte ein gut
gemachter Bog innerhalb der Kennerszene seine Erfolge haben.
Bedingung ist jedoch, dass ein gewisses Maß an Professionalisierung,
an Könnerschaft angestrebt wird. Dass die Standards jeder Form der
öffentlichen Rede, Spreche und Schreibe wieder als
Qualitätsstandards anerkannt werden. Im Ergebnis wird dann der
weitere Schwund der professionellen Medien sein, zugunsten gut
gemachter, professionell produzierter Amateurauftritte.
Heraus
kommt dabei die Pflege der Milieus und Kleingruppen, einzelne Nischen
zwischen Wahn und Aufklärung. Wie die Freude in der Masse der
Sportzuschauer eher ein Katalysator der Freude und des Genießens
ist, so ist der Masseneffekt im Netz auch keiner der frustriert,
sondern motiviert und anregt, dort weiterzumachen, wo der letzte
Shitstorm oder die letzte Themenrallye endete. Das „anything goes“
dürfte über kurz oder lang dazu führen, dass die zugehörige
Parole „anybody goes“ nicht mehr funktioniert. Zumindest bis
„liquid democracy“ oder andere Ideen der Partizipation nicht
wirklich erfolgreich zu Ende entwickelt und zum Erfolg gebracht
wurden.
Was
wir heute erleben, ist eine gigantische Zeit des Erprobens und
Experimentierens mit Formen und Inhalten, mit neuen
Organisationsformen und Mobilisierungsansätzen. Auch in Zukunft
werden allerdings die menschlichen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten
die limitierenden Faktoren bleiben. Menschen wollen Gemeinschaft und
Austausch, sie wollen Sicherheit und Gesundheit, sie wollen Wohlstand
und Zufriedenheit. Bis dato kann das Netz dazu direkt nichts
beitragen, es ist ein noch wenig entwickelte und noch weniger
erforschte terra incognita, eine völlig neue Grenze, die irgendwo in
uns oder über uns verläuft und an der bisher wohl nur wenige je
geklopft haben.
Das Internet lebt nicht
Die Realität der virtuellen Welten muss man wohl schon heute zugestehen, nicht allerdings die Verwechslung mit dem Leben im hier und jetzt. Adorno hat Ferdinand Kürnberger mit den Worten zitiert "Das Leben lebt nicht", heute trifft der Satz auf das Netz zu, das in der Lage ist, zu wachsen und sich auszudehnen, sogar dreidimensional, weil es keinen Anfang und kein Ende kennt, aber es spendet kein Leben und lässt kein Leben in ihm zu. Intensiv mit ihm zu leben bedeutet etwas ganz Anderes. Schon in zehn oder zwanzig Jahren werden wir staunen, wie selbstverständlich der Technikeinsatz uns schon in unserem unmittelbaren persönlichen Raum geworden sein wird, wie vertraut wir damit sind, quasi rund um die Uhr von der Maschine unterstützt und überwacht zu werden.
Das gegenwärtige „anything goes“ wird dann längst der pragmatischen Einsicht in die unvollkommene Leistungsfähigkeit der Maschine gewichen sein und die Rückbesinnung auf die kreativen Fähigkeiten des Menschen wird dann längst wieder Thema sein.
Das Internet lebt nicht
Die Realität der virtuellen Welten muss man wohl schon heute zugestehen, nicht allerdings die Verwechslung mit dem Leben im hier und jetzt. Adorno hat Ferdinand Kürnberger mit den Worten zitiert "Das Leben lebt nicht", heute trifft der Satz auf das Netz zu, das in der Lage ist, zu wachsen und sich auszudehnen, sogar dreidimensional, weil es keinen Anfang und kein Ende kennt, aber es spendet kein Leben und lässt kein Leben in ihm zu. Intensiv mit ihm zu leben bedeutet etwas ganz Anderes. Schon in zehn oder zwanzig Jahren werden wir staunen, wie selbstverständlich der Technikeinsatz uns schon in unserem unmittelbaren persönlichen Raum geworden sein wird, wie vertraut wir damit sind, quasi rund um die Uhr von der Maschine unterstützt und überwacht zu werden.
Das gegenwärtige „anything goes“ wird dann längst der pragmatischen Einsicht in die unvollkommene Leistungsfähigkeit der Maschine gewichen sein und die Rückbesinnung auf die kreativen Fähigkeiten des Menschen wird dann längst wieder Thema sein.
Illu.: Gerd Altmann/pixelio |
Bloggen
wird dann immer noch keine Kunst sein, vielleicht auch schon in
großen Zügen ein Teil der neuen multimedialen Langeweile, weil eine
neue Generation mit den Medien ganz anders, viel pragmatischer
verfährt als unsere Generation, die die neuen technischen
Möglichkeiten im Netz als aktive Demokratisierung der Mediennutzung
begreift.
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