Sonntag, Dezember 23, 2012

Spin-doctor-Alarm: 11 Basis-Regeln für den PR-Erfolg in der Politik


Das kommende Jahr könnte wieder sehr unter-haltsam werden. Zumindest wenn man Politik wie ein Stück aus dem Reality TV  konsumiert oder wie eine Champions League-Partie. Es ist dann wieder die Zeit der Prognosen und Vorhersagen, der Einschätzungen persönlicher Eindrücke und des Aufdeckens bisher als vertraulich gehandelter Informationen.
Zunächst ist allen klar, dass die Niedersachsen-Wahl im Frühjahr richtungsweisend für die Bundestagswahl im Herbst sein wird. Diese Einschätzung ist solange gültig, wie man das Ergebnis der Abstimmung nicht kennt. Denkbar ist auch, dass die Wahl in Hannover und Umgebung keinen zählbaren Fingerzeig auf den Herbst ergibt, dann wird man die Beurteilung ex post flugs ändern und die Bundestagswahl als endgültig völlig offenes Rennen bezeichnen müssen, um die Spannung und damit den sende- und redaktionstechnischen Aufwand zu rechtfertigen. 

Von dieser Stelle sei mal vorhergesagt, dass das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 in den Wettbüros keine tollen Gewinnquoten ergeben dürfte, sofern man auf den Sieg der Kanzlerin setzt. Sie wird rechtzeitig den Absprung zur großen Koalition vorbereiten und dann vollziehen, wenn Steinbrück erst einmal seinen Rücktritt erklärt hat und Sigmar Gabriel die Niederlage und die Notwendigkeit im Sinne der Nation eingestanden haben wird zu koalieren.  An der Tabellenspitze also nichts Neues. 
Am Ende des Jahres könnte man dann in den politischen Feuilletons den Erfolg der Kanzlerin mit den aktuellen Erfolgen des ewigen FC Bayern vergleichen oder mit irgendeinem anderen erwartbaren Comeback oder unerwarteten Erfolg eines anderen Überfliegers dieses Jahres. 

Interessant werden dann die Nebengeschichten am Rande. Der Kampf eines einsamen Abgeordneten in seinem Wahlkreis gegen alle Widerstände und alle Wahrscheinlichkeit, der Kampf des politischen David gegen den politischen Goliath, der Kampf für Gerechtigkeit, Grundeinkommen oder auch nur für die eigene  Wiederwahl oder den erstmaligen Einzug als jüngster Abgeordneter. Ob allerdings dann noch die Rede zum Beispiel von den Piraten und ihrer Partei sein wird, ist extrem fraglich. Aller Wahrscheinlichkeit nach taugt diese Geschichte im Herbst 2013 nur noch zum Vergleich mit dem Comeback der FDP, die sich mit knapp 5 Prozent noch einmal in den Bundestag mit Hilfe eines neuen Vorsitzenden, neuer Strategie und runderneuertem Auftritt zurückgehangelt haben wird. Die gegensätzliche Entwicklung dieser beiden Parteien dürfte also dann DIE Geschichte nach der Wahl und vielleicht sogar schon vorher sein, wenn die Prognosen der Wahlforscher einen solchen Trend hergeben. Die Geschichten können heute schon geschrieben und zurück gelegt werden, damit man sich bis dahin wichtigeren Dingen widmen kann wie etwa den Problemen der Bahn, dem Wetter oder dem Euro.

Um allen ratlosen Parteistrategen ausnahmsweise einmal unter die Arme zu greifen und ein wenig Rat zu geben, wie man denn im Wahlkampf 2013 Erfolg haben könnte, hier die elf wichtigsten PR-Ratschläge aus dem Spin-Doctor-Labor:

Wer Erfolg an der Spitze einer Organisation, vornehmlich einer politischen Organisation, haben möchte, dem sei als eherne Regel Nummer Eins die folgende ans Herz gelegt:

1. Verknüpfe dein politisches Schicksal niemals mit irgendeiner Vision.

Eine Vision wäre wie die eine magische Karte im Poker, die auf der Hand fehlt, um den Flush komplett zu machen. Und wie selten der ist, ist selbst dem pokerlaien bekannt. Visionen beruhen auf persönlichen Einschätzungen und Überzeugungen, die gelegentlich auch falsch sein können. Klug wäre es also, die Möglichkeit des eigenen Irrtums vorweg zu nehmen, indem man sich nicht festlegt. Das hätte zur Folge, dass man nie gezwungen wäre, sich öffentlich selbst zu korrigieren! 

Regel Nummer Zwei bezieht sich auf die Menschen, mit denen man am Erfolg arbeitet:

2. Stelle Dir ein Team mit Menschen zusammen, die Dir 100%tig ergeben sind.

Im Kampf um Erfolg ist keine oder nur wenig zeit, sich ständig mit den Befindlichkeiten der teammitglieder zu befassen. Deshalb muss von Beginn an klar sein, dass man sich zur Not blind auf die Mitarbeiter verlassen kann. Sie müssen nicht brillant sein oder erkennbar noch eine glänzende Karriere vor sich haben, im Gegenteil, sie sollten dem Durchschnitt an Leistung und Talent entsprechen und keine Erwartungen an die eigene Zukunft hegen, die über die Siegesaussichten des Teamchefs hinausgehen. Im Zusammenspiel sollten überzeugende Lösungen erarbeitet werden, die zum Chef passen, Einzelspieler taugen dafür nicht. Im Falle des Erfolgs schweißt der weiter zusammen, im Falle des Misserfolgs kann man sich mit Recht von den Versagern trennen.

Gründe für den Misserfolg könnten auch innerparteilich zu suchen sein, weil der Konkurrenzkampf zu stark ist. Deshalb besagt Regel Nummer Drei:

3. Suche niemals die direkte Konfrontation mit Deinen Gegenspielern in der Partei.

Wer sich in einem Zweikampf wiederfindet, der hat sich eindeutig positioniert. Böser Fehler! Wer sich eindeutig positioniert, macht sich angreifbar und setzt sich der Gefahr aus, von Mehrheiten überstimmt zu werden. Noch problematischer ist es, dass man in diesem Falle zu leicht als potentieller Gegner ausgemacht werden könnte. Deshalb ist es besser, im Hintergrund zu bleiben, fleißig und beliebt zu sein, aber nicht auf eine Position festlegbar. Beweglichkeit ist das A und O.

Ähnliches gilt es im Wettbewerb mit den anderen Parteien:

4. Ignoriere den Spitzenmann der anderen Partei durchgängig, adle ihn nicht mit Beachtung.

Wer auf Behauptungen des politischen Gegners eingeht, der zeigt nur, dass diese ernsthaft genug sind, sich mit ihnen zu beschäftigen. Daher ist es klüger, sie vollständig links liegen zu lassen und ausschließlich von den Problemen und ihrer Lösung zu sprechen - aber immer und ausschließlich mit der eigenen Definition und Festlegung. Am allerbesten stellt man sich dabei, wenn man immer wieder die Aufgabe beschreibt, die es zu lösen gibt, und über die angedachten Lösungen schweigt. Die werden ohnehin von untergeordneten Chargen erarbeitet und sind manövriermasse (s. Regel 2).

Verführerisch erscheint es gelegentlich, sich an Umfrageergebnissen oder Trends in der veröffentlichten Meinung zu orientieren. Aber:

5. Mache Dir die öffentliche Meinung als politischen Kompass zunutze, wenn es um existentielle Fragen geht. Aber nur dann!

Die Medien sind ebenso wetterwendisch wie es die Politik sein sollte, deshalb macht es keinen Sinn, sich auf die veröffentlichte Meinung zu verlassen. Meinungsumfragen sind meist wertlos, weil der Wähler uninformiert und desinteressiert ist und die Tendenz in der Fragestellung nicht erkennt. Also bleibt nur, sich auf die wesentlichen Fragen zu konzentrieren, Krieg, Frieden, Hunger, Elend, Gefahr. Alles andere ist zweitrangig und nicht tauglich als Siegesthemen. Wer sich zuvor nicht festgelegt hat, der hat jetzt die Chance, eventuell sogar eine 180 Grad Kehre zu fahren.

Das kann man tun, wenn man die Regel Nummer Sechs beachtet:

6. Überfordere niemals Deine Wählerschaft mit Deinen Fähigkeiten und Deiner Brillanz, zeige ihr immer Deine fürsorgliche, kümmernde und fleißig-bemühte Seite.

Die eigenen Fähigkeiten könnten dazu verführen zu meinen, man wisse etwas besser als der Wähler. Die eigene Brillanz könnte besserwisserisch und bevormundend rüberkommen. Vor allem aber liefe es auf die Beantwortung der Aufforderung hinaus "Sag Du uns, was richtig ist!" Wer in der Lage ist, den Wähler in seiner Ratlosigkeit zu spiegeln und seine Fragen gekonnt zu paraphrasieren, der erreicht die Herzen und die Stimmen. 

Um auf diesem Weg nicht Gefahr zu laufen, von den eigenen Leuten überholt zu werden, ist Regel Sieben von äußerster Wichtigkeit:

7. Lass Deine Gefolgsleute wissen und spüren, dass sie permanent unter Deiner kritischen Beobachtung stehen.

Wenn bekannt wird, wer wo was gesagt hat, dann gilt es, unmittelbar eine Reaktion per Telefon oder eMail zu zeigen. Der andere muss wissen, dass seine Äußerungen weitergetragen werden und sofort dorthin gelangen, wo sie eigentlich Schaden anrichten sollen. Der Eingriff muss unverständlich und eindeutig sein, darf aber keine Rücktritte oder öffentlkchkeitswirksamen Reaktionen zur Folge haben. Deshalb gilt es, klug vorzugehen.

Hier kann auch Regel Nummer Acht helfen, die dafür sorgen kann, in Form der kommunizierenden Röhren Reaktionen an die richtige Adresse zu lancieren:

8. Wähle Dir ein Team von engsten Vertrauten, die solche Aufgaben für Dich übernehmen.

Dies hat den Vorteil, dass Reaktionen nicht eindeutig zuzuordnen sind, solange es noch keine Chance gibt, zum entscheidenden Schlag auszuholen. Bis dahin muss der Kontrahent immer noch eine Chance sehen, politisch zu überleben. Erst wenn es zu spät ist, erkennt er dann, dass er die Hinweise der Beauftragten nicht ernst genug genommen hat. 

Auf dem Weg dahin sollte auch vermieden werden, dass die Medien allzu viel Einblick in die wahren Zusammenhänge und Verbindungen erhalten. Deshalb Regel Nummer Neun: 

9. Halte Distanz zu den Medien. Lass ausschließlich Chefredakteure und Verlagsleiter an Dich heran.

Wer nur mit den höchsten Dienstgraden verkehrt, der macht deutlich, welche Bedeutung die Information hat, die womöglich fließt, nämlich nationale oder gar internationale Bedeutung. Chefjournalisten lieben es, sich in dieser Bedeutung zu sonnen und schirmen ihre Quellen auch intern ab. Aktionen untergeordneter Redaktionsmitglieder müssen toleriert, aber solange es geht ignoriert werden. Im Zweifel wird ein Mitarbeiter beauftragt, Kontakt aufzunehmen und Informationen zu streuen. Niemals aber darf man sich darauf verlassen, dass ein Medium gemeinsame Sache machen könnte. Das ist völlig ausgeschlossen. Wer mit den Fingern im Mustopf erwischt wird, dem ist nicht zu helfen.

Bis dahin ist maximale Beweglichkeit gefragt: 

10. Lege Dich niemals in einer Frage fest, sei beweglich und nutze die Gelegenheit, zum Erfolg zu kommen, wie sie sich bietet.

Wer sich nicht festlegt, ist nicht zu greifen und nicht zur Verantwortung zu ziehen. Wer mit den Mehrheiten sich bewegt, fällt als Königsmörder oder Rädelsführer nicht auf. Erst wenn die Würfel gefallen sind, darf man alles riskieren und durchstarten. Dann sind andere wegen ihrer früheren Einlassungen verbrannt oder aufgrund ihrer Verwicklungen personae non gratae. Von allergrößter Bedeutung ist das Double thinking und das Double Talking. Man muss immer so sprechen, dass Mehrdeutigkeit entsteht, dann ist ein Zick-Zack-Kurs durchhaltbar, ohne dass es jemand merkt.

Gegen diese Regeln sollen die Gegner verstoßen und dann mit Regel Nummer Elf konfrontiert werden:

11. Sorge dafür, dass Deine Gegenspieler in der Partei aufgeben und für ihre politischen Niederlagen bestraft werden. Berufe sie niemals in Dein Kompetenzteam!

Am Ende hilft nur Konsequenz und Unerbittlichkeit im Dienste der Sache, die allemal größer ist, als die Protagonisten. Wenn die Abstrafung und Herabsetzung eines Gegners unumgänglich geworden ist, dann hilft nur Entschlossenheit. Wer zögert oder moderiert, verliert am Ende den Konflikt.

Mit diesen elf Regeln kommt man schon relativ weit und könnte sich eine gute Ausgangslage verschaffen, um im Endspurt noch etwas zu gewinnen. Sie gelten sowohl auf allerhöchster Ebene wie auf der niedrigsten Etage der Politik. Allerdings stellen sie nur eine Verkürzung des eigentlich notwendigen Regelwerks um bestimmt 90 Prozent dar. Dies wäre eine eigene Buchveröfentlichung wert, die aber aus der Sicht des Bürgers größeren Sinn machen würde. Schauen wir also einmal, wer sich mit welchem Erfolg dieser Regeln bedienen wird. Top, die Wette gilt!

Illustration: Gerd Altmann  / pixelio.de

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