Ein Plädoyer gegen die europäische Apokalypse.
Europa im Brennpunkt. |
Noch
vor etwa einem Jahr war es ein Spaß unter Feuilletonisten,
Kommentatoren und Themenredaktionen, das für Dezember 2012 von den
Mayas angeblich prophezeite Ende der Welt durch zu deklinieren.
Seitdem aber Wissenschaftler Belege dafür gefunden haben wollen,
dass das Ende des Maya-Kalenders keineswegs auch das Weltenende
bezeichnen soll, ist das Thema vorläufig wieder aus der
Redaktionsaufmerksamkeit gefallen. Wiedervorlage Mitte Dezember 2012.
Ein weiterer Grund dafür, mit dem Gedanken an den Untergang der Welt
zu spielen, konnte aber auch gewesen sein, dass in jüngster Zeit
einmal mehr deutlich wurde, dass es Probleme gibt, mit denen per
Dekret, Volksabstimmung oder Mehrheitsbeschluss nicht ohne Weiteres
fertig zu werden ist.
In
Europa hat die Krise des Euro allenthalben Ernüchterung einkehren
lassen nach vielen Jahrzehnten der wachsenden Europa-Begeisterung.
Die jüngst erfolgten Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag seines
Amtsantritts des Bundeskanzlers und die Jubelstürme um den Kanzler
der Einheit, Helmut Kohl, haben noch einmal die wohltuende Erinnerung
an jene Zeiten aufscheinen lassen, als es ein Zeichen politischer und
historischer Weisheit galt, seine Zukunftshoffnung auf Europa und die
Einigung Europas zu setzen. Damals galt der Grundsatz, dass nur ein
geeintes und einiges Europa mit den Problemen und Aufgaben der
Zukunft fertig werden würde. Dabei dachte man an die Stressfaktoren
der Globalisierung, dem Szenario der ökonomischen Mega-Regionen, in
denen Europa künftig konkurrenzfähig sein würde. dabei dachte man
aber auch an die Fortsetzung der Friedenspolitik der Nachkriegszeit,
die ohne Zweifel auf der Grundlage des europäischen Gedankens
alternativlos und erfolgreich war.
Krise von innen
Niemand
aber hatte daran glauben wollen, dass Europa sich durch
Fehlentwicklungen im Einigungsprozess und politische Fehler ihrer
Mitglieder quasi von innen heraus in Frage stellen würde. Denn das
ist unbestreitbar geschehen, Europa ist sich selbst zum Problem
geworden. Die Euro-Krise ist, da widerspricht niemand, eine
hausgemachte, auf die man politisch nicht eingestellt war. Alle
Szenarien drehten sich um die Gewinnung der Augenhöhe mit den
existierenden und sich entwickelnden Wirtschaftsmächten der Welt,
den USA, China, Südamerika, Russland. Die Gefahr, dass die
Bekämpfung der Krise mit den ehernen Zielen der europäischen
Einigung kollidieren könnten, lassen die Regierungen zögern, sich
rasch und entschlossen auf eine gemeinsame Strategie zu einigen, die
vor dem Eintritt des nächsten Krisenmoments wirksam wäre, nicht
immer erst als Reaktion hinterher.
Fotos: Pixelio.de/G. Altmann |
Es
besteht die Gefahr, man möchte fast sagen, die feste Aussicht, dass
das Europa nach der Krise auf keinen Fall mehr das Europa vor der
Krise sein wird. So oder so werden noch weitere Prinzipien daran
glauben müssen, nicht nur das non-bailout-Prinzip oder die
veränderten Geschäftspraktiken der EZB. Warum also nicht konsequent
sein und das Problem der Krise isolieren und mit geeigneten Mitteln
lösen, bevor man zu Lösungen getrieben wird, deren Perspektiven
nicht wirklich absehbar sind? Wenn die europäische Idee kraftvoll
und überzeugend weiterleben soll, darf sie nicht dauerhaft unter den
Ergebnissen der gegenwärtigen Krise leiden.
Dazu
aber bedürfte es einer runderneuerten europäischen Idee, die sich
in ihrer Ausformulierung nicht von den tagespolitischen Ereignissen
beeinflussen ließe. Die mangelnde Kraft der europäischen Union, in
ihren Mitgliedsstaaten für eine Haushalts- und Finanzdisziplin zu
sorgen, wäre ein Punkt, über den sich diskutieren lassen muss. Die
unendlich ausfasernden Einigungsprozesse in all den politischen
Einzelfeldern müssen beschleunigt und gekappt werden, sonst
scheitert Europa am Ende eher an seinen uneinheitlichen
Hygienevorscnriften oder Ähnlichem als am ruinierten Euro. Dass man
nunmehr daran gehen will, die politische Einheit Europas zu schaffen,
ist keine große Erkenntnis, sondern schlicht überfällig. Es muss
wieder eine zeitliche Vorstellung her, bis wann das einige Europa
endgültig vereinigt sein soll, 25 Jahre, 50 Jahre, zwei
Generationen? Drei Generationen? Es muss schließlich auch wieder
eine politische Leitidee her, die Europa deutlich profiliert in
seinem Verhalten angesichts der weiteren sicherheitspolitischen
Krisenherde auf der Welt.
Im Angebot: Frieden und Demokratie
Die naive Begeisterung, mit der der arabische Frühling begrüßt wurde, zeugt noch von der Vorstellung von der Demokratie als ein erfolgreiches Exportprodukt für den despotischen Weltmarkt. Es hat sich im Laufe der Jahrzehnte ein interventionischer Friedens- und Demokratiegedanke etabliert, der in Deutschland erstmals bei der Entscheidung über den Kosovo-Einsatz deutlich wurde. Heute stehen europäische Soldaten in Afghanistan, am Balkan, standen im Irak. Bessere Ergebnisse als die Amerikaner haben sie nicht erreicht, man teilt sich die Unsicherheit der Welt und der Politik einträglich und glaubt, dies sei die logische Folge der eigenen weltpolitischen Dominanz. Die Wiedereingliederung Deutschlands in den Westen nach dem zweiten Weltkrieg und die Erweiterung der EU in den ehemaligen Ostblock hinein sind rein europäische Entwicklungen gewesen, die kaum oder keine Nachfolgebespiele anderswo gezeitigt haben. Unter der Glasglocke Europa standen andere Handlungsoptionen zur Verfügung als anderswo.
Die naive Begeisterung, mit der der arabische Frühling begrüßt wurde, zeugt noch von der Vorstellung von der Demokratie als ein erfolgreiches Exportprodukt für den despotischen Weltmarkt. Es hat sich im Laufe der Jahrzehnte ein interventionischer Friedens- und Demokratiegedanke etabliert, der in Deutschland erstmals bei der Entscheidung über den Kosovo-Einsatz deutlich wurde. Heute stehen europäische Soldaten in Afghanistan, am Balkan, standen im Irak. Bessere Ergebnisse als die Amerikaner haben sie nicht erreicht, man teilt sich die Unsicherheit der Welt und der Politik einträglich und glaubt, dies sei die logische Folge der eigenen weltpolitischen Dominanz. Die Wiedereingliederung Deutschlands in den Westen nach dem zweiten Weltkrieg und die Erweiterung der EU in den ehemaligen Ostblock hinein sind rein europäische Entwicklungen gewesen, die kaum oder keine Nachfolgebespiele anderswo gezeitigt haben. Unter der Glasglocke Europa standen andere Handlungsoptionen zur Verfügung als anderswo.
Gleichzeitig
ist man sich eigentlich einig, dass alles Hegemoniestreben einzelner
Staaten vorgestrig sei. Eben das aber geschieht gerade in der
Weltpolitik. Einig ist man sich darin zum Teil mit den USA, die am
Ende eines historischen Zyklus angekommen sein könnten und die es
schon lange mit Konkurrenten zu tun haben, die nicht in Europa
beheimatet sind. Diese Entwicklung ist mindestens so alt wie die
deutsche Wiedervereinigung und die europäische Erweiterung. Dass der
pazifische Raum künftig wichtiger für die USA werden würde als
Europa, stand schon in den 80er Jahren fest. Nun, da es sich
bewahrheitet, kämpft Europa um seine Bedeutung und seinen Einfluss.
Und mit sich selbst in der Eurokrise. Dabei wäre ein starkes,
selbstbewusstes Europa im Wirbel der geopolitischen Entwicklungen
sehr sehr wichtig gewesen. Aber ausgerechnet in dieser Phase der
Geschichte machen die Europäer ihre Hausaufgaben und sitzen
miteinander streitend bei der Schuldnerberatung. Ob sie sich nach der
Krise, wenn es das denn gibt, wieder als gleichwertiger Partner oder
Kontrahent in den globalen Wettbewerb werden einreihen können,
bleibt zunächst dahin gestellt. Auf jeden Fall muss eben dies auch
ein Ziel der Krisenbewältigung im alten Europa sein, wenn es das
nicht mehr sein will: Das alte Europa, das sich am Ende doch wieder
nur selbst klein macht und zu Fall bringt.
Doch kann man mit dem Thema neues Europa Wahlen gewinnen? Ist das neue Europa möglicherweise ein Big Point im Wahlkampf? Als Amtsinhaber ist zumindest das alte Europa und die flexible Krisenarbeit ein Thema, mit dem beim Wähler zu punkten ist. Ob ein Herausforderer Chancen hätte, das Thema beim Wähler zu platzieren muss mit Fug und Recht bezweifelt werden. Das Thema Europa oder gar Neues Europa ist beim Wähler noch nicht wirklich angekommen. Der möchte eher ein entschiedenes Weiter-so in Europa als irgendwelche Kurswechsel oder Visionen. Und verpasst womöglich den richtigen Zeitpunkt, von seiner Regierung ein Europa-Konzept mit Zukunft und Vision zu verlangen. Das friedfertige, friedliche Europa könnte dann irgendwann an seiner eigenen Friedfertigkeit und mangelnden Wettkampfhärte scheitern.
Das aber wäre ein fataler Prozess. Nie zuvor in der geschriebenen Geschichte hat es eine Staatengemeinschaft gegeben, die so eindeutig und unmissverständlich von ihren Gründungsvätern auf Frieden, Völkerverständigung und gemeinsamen Wohlstand verpflichtet worden ist. Mit einer entscheidenden Schwächung Europas wäre eben weit mehr zu verlieren als Vertragswerke, Industriestandards und Förderungsfonds. Dafür würde es sich schon lohnen zu arbeiten und zu kämpfen. Und diese Forderung gilt nicht allein für die Politik.
Doch kann man mit dem Thema neues Europa Wahlen gewinnen? Ist das neue Europa möglicherweise ein Big Point im Wahlkampf? Als Amtsinhaber ist zumindest das alte Europa und die flexible Krisenarbeit ein Thema, mit dem beim Wähler zu punkten ist. Ob ein Herausforderer Chancen hätte, das Thema beim Wähler zu platzieren muss mit Fug und Recht bezweifelt werden. Das Thema Europa oder gar Neues Europa ist beim Wähler noch nicht wirklich angekommen. Der möchte eher ein entschiedenes Weiter-so in Europa als irgendwelche Kurswechsel oder Visionen. Und verpasst womöglich den richtigen Zeitpunkt, von seiner Regierung ein Europa-Konzept mit Zukunft und Vision zu verlangen. Das friedfertige, friedliche Europa könnte dann irgendwann an seiner eigenen Friedfertigkeit und mangelnden Wettkampfhärte scheitern.
Das aber wäre ein fataler Prozess. Nie zuvor in der geschriebenen Geschichte hat es eine Staatengemeinschaft gegeben, die so eindeutig und unmissverständlich von ihren Gründungsvätern auf Frieden, Völkerverständigung und gemeinsamen Wohlstand verpflichtet worden ist. Mit einer entscheidenden Schwächung Europas wäre eben weit mehr zu verlieren als Vertragswerke, Industriestandards und Förderungsfonds. Dafür würde es sich schon lohnen zu arbeiten und zu kämpfen. Und diese Forderung gilt nicht allein für die Politik.
Die
restliche Lebensdauer des Kalenders der Maya ist überschaubar. Die
des jungen Staatenbundes zwischen den Blöcken und Staatenriesen
nicht. Lasst uns also demnächst die Wiedervorlage abarbeiten und
dann Europa auf Kurs bringen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen