Donnerstag, März 15, 2012

Gelesen, verstanden, notiert

Aus dem Zusammenhang gerissen...

aus: Das Ich als Unverschämtheit von Edo Reents
FAZ, 14.3.2012


Andreas Maier hat seine Frankfurter Poetikvorlesung unter dem Titel „Ich“ veröffentlicht, ein hochdifferenziertes Selbstgespräch mit ebenfalls elitären Zügen, aus dem man über Literatur und Autorschaft sehr viel lernen kann: „Wenn ich heute die Literatur um mich herum lese, lese ich interessante Gespräche intelligenter Leute über ausgefallene Dinge. Das ist, was die Leute interessiert, aber für mich ist es eine Verschönerung. Dass man sich quasi eine Welt erschreibt, wie man sie gern hätte, auch im Negativen. Das ist ja Kitsch. Das spielen Kinder vor dem Spiegel.“

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/autorschaft-das-ich-als-unverschaemtheit-11684188.html



aus: Deutschstunde von Jakob Augstein
SPIEGEL ONLINE 15.3.2012



Gauck selbst - der auf Anfrage nichts zum Inhalt seiner Akte sagen wollte - hat einmal in einem Interview erklärt: "Eine wirkliche Erinnerungskultur ist in einem Volk erst dann auszumachen, wenn nicht nur der Intellekt die neuen Fakten begreift und sich aneignet, sondern wenn auch Elemente einer inneren Einkehr erfolgen. Dass der Einzelne sich fragt: Und ich? Wo war eigentlich meine Position innerhalb dieses Systems? War ich ein Täter? War ich ein Helfer, ein Mitläufer? War ich ein Zuschauer? Oder war ich ein Opfer? Manchmal ist man von jedem etwas gewesen."


http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,821480,00.html


aus: Das Tempo eines Volkserziehers
Iring Fetscher wird 90 von Jürgen Kaube
FAZ 4.3.2012


„Wenn man sich fragt, warum Rousseau nicht zum humanen Weltbürger statt zum patriotischen Staatsbürger erziehen will, so wird seine Antwort hierauf zweifellos lauten, dass es sinnlos wäre, die Menschen für eine Gemeinschaft zu erziehen, die gar nicht existiert.“ So heißt es in Fetschers Rousseau-Buch. 


http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/iring-fetscher-wird-90-das-tempo-eines-volkserziehers-11663138.html



aus: Wo ist Hegel? Mauwürfe von Jasper von Altenbockum 
9.10.2011 faz 




Dann kam der Tag, an dem sich einer davon wie von Geisterhand berührt bewegte. Längst hatte Grabowski-Buddelflink einen Namen. Hegel. Weil Hegel der größte Maulwurfsversteher aller Zeiten war - lange nach Shakespeare und Hamlet („Brav, alter Maulwurf! Wühlst so hurtig fort?“). Für Hegel war der Maulwurf die Erkenntnis, die ans Licht drängt, aber dann doch nicht wirklich kommt, weil er ja fast blind ist und nur Schwarzweiß erkennt. Der Maulwurfshügel ist also, so gesehen, der Versuch, aus Platons Höhle einen Ausgang zu finden.
Dass es nur beim Versuch bleiben soll, hat wiederum Karl Marx geärgert, der sich, wie die meisten Hegelianer, über vieles bei Hegel geärgert hat und deshalb den Maulwurf vom Kopf auf die Füße stellte. Seither ist der Maulwurf für Marxisten und Postmarxisten ein Revolutionär, der seine Wühlarbeit systematisch und unermüdlich in Europa vorantreibt, bis alle Völker erst unterirdisch und dann auch oberirdisch befreit und vereint sind. Trotzkisten, aber auch die Nachfolger der Frankfurter Schule glauben daran bis heute. 



aus: Denken zwischen Mülltrennung und Notaufnahme 
Über das wissenschaftliche Sachbuch von Jürgen Kaube
FAS 7.3.2012

Der entsprechende Überbietungswille - in Paris und an manchen prominent besetzten Universitäten gesteigert noch durch soziale Verdichtung - führte mit zu jener im Rückblick so erstaunlichen Produktion. Wollte man es etwas pathetisch ausdrücken, dann könnte man vom allmählichen Ende einer Epoche sprechen, in der noch vorstellbar war, dass Denken zu Ruhm führt. „Opus magnum“ ist heute ein Zuwendungstitel der VW-Stiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft wiederum hat Sondertöpfe für Vorhaben, die besonders riskant sind, weil man nicht schon vorher weiß, was dabei herauskommt.
Wer die Gegenwart auf diese Weise mit der Vergangenheit vergleicht und dabei zu dem Urteil kommt, früher sei, salopp formuliert, ohne viel Anschubfinanzierung intellektuell mehr los gewesen, gilt schnell als Kulturpessimist. Doch auch wenn wir durchaus ein paar Merkmale unserer Kultur zu nennen wüssten, die uns missfallen, zum Beispiel die reflexhafte Vergabe solcher Etiketten ohne vorherige Sachverhaltsprüfung, wären Verfallsdia-gnosen in der Tat wohlfeil.


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