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Ist
es womöglich a) ein Missverständnis, b) ein Irrtum, c) eine
Unterstellung oder d) eine Erkenntnis, dass im umgekehrt
proportionalen Verhältnissen zur Zunahme der nicht
nachvollziehbaren, wenig erklärbaren, schwer zu vermittelnden und/
oder am Ende sogar dummen Entscheidungen und Ereignisse inmitten
sowie am unteren und oberen Ende unserer Gesellschaft a) die
Erklärungswut, b) ein neuer Enzyklopädismus, c) attraktive
Businesskonzepte im Knowledge- und Education-Bereich sowie d) ein
beträchtlicher Imagegewinn für Schlaumeier aller Arten zu
verzeichnen ist?
Kein
Zeitungsartikel mehr, der nicht auf weitergehende Informationen im
Internet verweist, keine Nachrichtensendung im Fernsehen, die nicht
vertiefende Infos auf ihrer Website verspricht. Schon wird Wissen
nicht mehr als Voraussetzung zur Teilhabe am Spiel der Erwachsenen
angesetzt, sondern als Zusatznutzen angeboten, als Nice to
hav-Gimmick. Erst die Information, dann die Bedeutung.
Wissen im Standby-Modus
Du möchtest
auf die Bedeutung verzichten? Kein Problem, Hauptsache, du hast die
Info angeklickt und dich mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen
einverstanden erklärt. Wissen
und Bildung scheinen Dinge zu sein, die auf DVD oder in einem
Programm Platz haben und standby zu haben sind. Harmlose
Quizsendungen suggerieren den Massen, dass es mit ein wenig
Überschriften- und Wikipedia-Lektüre oder Trivial Pursuit-Mühen
getan ist, um sich als gebildeter Mensch präsentieren zu können.
Wissen, wo es steht, nicht wissen, um es zu besitzen, wird gelehrt.
Wissen als Problemlösungstool, nicht als Selbstzweck, mit dem man
über die eigenen Grenzen hinausgehen kann, zuerst geistig, dann
körperlich, erst intellektuell, dann empirisch.
Der
Kult, der im Moment um Wissen, Bildung und Exzellenz getrieben wird,
tauscht darüber hinweg, dass der Sockel, auf dem unsere
gesellschaftliches Bildungskapital ruht, immer schmaler und damit
brüchiger wird.
Auf der einen Seite möchte man die beste verfügbare
Bildung gewährleisten, auf der anderen Seite toleriert man
Leistungsverweigerung und mangelnde Bildungsbereitschaft als
Überlastungsphanomen und Überforderungssymptom. Digitale Demenz?
Unsinn, ein überflüssiges Schlagwort, das der eigenen Vermarktung
dient, nicht der Aufklärung. Denn es ist ja jenseits der digitale
Demenz genannten Symptome weit schlimmer bestellt und die
Zukunftsaussichten wesentlich düsterer als angenommen.
All die Versuche, sich des gesamten Wissens der Erde zu vergewissern, das Weltkulturerbe der Geschichte zu bewahren, Enzyklopädien aufzubauen, die nicht weniger als alles beinhalten, Wissensmaschinen zu konstruieren, die mit jedem Stückchen Bildungsgut und Wissen arbeiten können, sind Reaktionen auf unbewusst fühlbare Sorgen um die Überlieferungsqualität, Furcht davor, Kollektiv das Gedächtnis zu verlieren, Panik bei dem Gedanken, all die Welterklärungsformeln der letzten 3000 Jahre könnten verloren gehen. Anders ist die Bemühtheit und Eifer, mit dem diese Seite betrieben wird, nicht zu erklären. Denn die effektiven Bildungs- und Wissens-Leistungen, die alljährlich gemessen werden, widersprechen dem aufwändig betriebenen Drang nach Sammeln und Bewahren der Kulturgüter der Welt. Dies ist eine Reaktion auf vorhandene Entwicklungen, eine Gegenreaktion. Es ist nicht der intellektuelle Befreiungsschlag einer aufgeklärten Gesellschaft, die sich ihrer Werte und Traditionen völlig selbstverständlich bewusst ist und deshalb ein kollektives Gedächtnis baut. Machen wir uns nichts vor, warum sollte man sich diesen Mühen unterziehen, wenn man sich seiner selbst sicher wäre? Man ist es eben nicht und all die Prechts, Jauchs, Yogeshwars, Bonings sind laue Versuche, dem Ringen um die Bewahrung und Erinnerung noch ein klein wenig ökonomischen Mehrwert abzupressen. Dass gescheiterte Wissenschaftsdarsteller und selbst ernannte Gschaftlhuber das Geschäft mit der Bildung und mit dem Wissen zu einem Basar der Beliebigkeit gemacht haben, ist Warnzeichen genug.
Intellektuelle Trennschärfe? Gedankliche Tiefenschärfe ?
Ein Streit darüber, was Inhalt eines Bildungskanons sein könnte, ließe sich heute wohl nur mit Mühe entfachen. Da die digitalen Speichermedien unfassbare Datenmengen bereit und verfügbar halten können, ist eine Auswahl von Bildungsinhalten nicht mehr notwendig, aus demselben Grund muss Wissen auch nicht mehr gründlich mit Hilfe von Wiederholung und Durchdenken erworben werden. Die zahlreichen Hilfsmittel und -programme ersetzen scheinbar vortrefflich das, was ehedem noch gewusst wurde. Bildung und Wissen ist heute mehr und mehr ein Problem der Speicherkapazitäten geworden, nicht der Inhalte und der Fähigkeit zu intellektueller Trennschärfe und gedanklicher Tiefenschärfe.
Ein Streit darüber, was Inhalt eines Bildungskanons sein könnte, ließe sich heute wohl nur mit Mühe entfachen. Da die digitalen Speichermedien unfassbare Datenmengen bereit und verfügbar halten können, ist eine Auswahl von Bildungsinhalten nicht mehr notwendig, aus demselben Grund muss Wissen auch nicht mehr gründlich mit Hilfe von Wiederholung und Durchdenken erworben werden. Die zahlreichen Hilfsmittel und -programme ersetzen scheinbar vortrefflich das, was ehedem noch gewusst wurde. Bildung und Wissen ist heute mehr und mehr ein Problem der Speicherkapazitäten geworden, nicht der Inhalte und der Fähigkeit zu intellektueller Trennschärfe und gedanklicher Tiefenschärfe.
Manche Entwicklungen, egal wie feinfühlig sie beschrieben und wie laut die Warnrufe sind, sind unumkehrbar. Wenn sie so stark sind, dass Warnungen ausgesprochen werden, sind sie auch schon zu stark, aufgehalten werden zu können. Der Untergang des Abendlandes findet, welch ein Treppenwitz der Weltgeschichte, zunächst auf dem Feld der Bildung statt. Im eigenen Land. Nicht diplomatisch, nicht kriegerisch, nicht ökonomisch. Ausgerechnet dort, wo man sich im Elfenbeinturm der geschliffenen Analysen und Beobachtungen sicher war, eines Tages zu den überlebenden Dinosauriern dieses Untergangs zu gehören. Weit gefehlt, eines Tages wird man froh sein, wenn sich gigantische Computergehirne der kollektiven Erinnerung und Bildungsreproduktion annehmen können.
Gedanken und Ideen: Luxus
Auf
dem Weg dahin allerdings können wir alle entweder a) im Fernsehquiz
eine Million gewinnen, b) mit unseren lustigsten Schulerinnerungen
Auflagenmillionar werden, c) als Talkshow-, Quizshow-,
Spielshowmaster reich werden oder d) uns im Selbststudium eine
weitere Fremdsprache aneignen, vielleicht sogar deutsch. Bis dahin
klären wir die Frage, ob der Untergang des Abendlandes a) ein
Buchtitel, b) ein Filmtitel, c) ein Online-Game oder d) der Titel
eines Musicals war. Im Zweifel ziehen wir den Telefonjoker und
schlagen eine alternative Antwort vor. Allerdings wäre das als Bruch
der Spielregeln schon wieder ein Akt der Rebellion und des Regens von
Intelligenz. Und somit im System nicht vorgesehen.
SELBER DENKEN MACHT SCHLAU!
Leisten wir uns den Luxus und verknüpfen zwei, drei oder gar mehr Ideen, Gedanken oder gar Erkenntnisse mit einander und schauen, wie sich unsere Welt oder unser Bild von ihr dadurch verändern lassen. Am Ende reicht es doch gewiss zum Ausfüllen eines Kreuzworträtsels oder Verfolgen eines Fernsehquiz'. Wissen ist Macht? Ich weiß nichts. Macht nichts.
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