Samstag, September 15, 2012

Sich verändern, um zu bleiben


Offene Public Relations.... Foto: pixelio.de/R. Sturm
Journalismus auf der Suche nach sich selbst.
Von allen Geheimwissenschaften, okkulten Künsten und klandestinen Techniken sind die Public Relations die bekanntesten. Diskretion war einst eine der vornehmsten Charakterzüge eines Gewerbes, das davon lebte, öffentlich nur in seinen Wirkungen wahrgenommen zu werden, nicht aber in seinen Instrumenten. Zwar wird gern die Maxime „Tue Gutes und rede drüber“ als das Motto der Branche bezeichnet, vielmehr aber galten Diskretion, Zurückhaltung und Unsichtbarkeit als Voraussetzungen für eine effektive Berufsausübung. Klar war auch die Abgrenzung zum Journalismus. Schon die Wertschöpfung des PR-Journalismus stiess auf ein gewisses Maß an Widerspruch, zumindest Erstaunen.

Es waren dies die Jahre, wo aufwändig Konzeptionstechniken entwickelt wurden, die PR-Beratern dabei helfen sollten, ganze PR-Konzeptionen von bis zu mehr als einem Jahr Dauer und Hunderttausenden von Euro Kosten zu gestalten. Am Ende bestanden die Konzeptionen aus einer Vielfalt von einzelnen Maßnahmen und Projekten, die alle einem einzigen Gesamtziel zugeordnet waren. Trotz allem Aufwands und aller Durchdachtheit galt jedoch immer als das durchgängige Prinzip das Wirken im Hintergrund. Kommunikative Aktionen wurden angeregt und veranlasst und dann den Menschen über die Medien, Veranstaltungen oder andere Maßnahmen übermittelt. 


Königsdisziplin  Zusammenarbeit 
Als Königsdisziplin der PR-Kommunikationsnexperten galt und gilt die Zusammenarbeit mit Journalisten und Redaktionen. Hier galt es, so war die brancheninterne Ansage, den Abstand zwischen den PR-Zielen des Auftaggebers und den journalistischen Methoden und Denkweisen zu überbrücken. Es ging darum, die eigenen Ziele so zu verkleiden und tarnen, dass sie in das Gewand der berühmten 10 journalistischen Kriterien für eine Nachricht passten, so, als wären sie geradewegs den Überlegungen eines Journalisten entsprungen. Das war anspruchsvoll und keineswegs selbstverständlich und einfach. Es gab die beiden klar von einander abgegrenzten Bereiche und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass sie irgendwo mehr als nur Berührungspunkte oder gar größere Schnittmengen haben könnten. 
Es gab noch kein Privatfernsehen, kein kommerzielles Radio und keine speziellen PR-Einheiten in den Verlagshäusern, die mit Hilfe von Anleihen an journalistische Arbeitsformen eine neue, nennen wir es ruhig innovative Form von Werbung machten. Das, was heute die Krise des Journalismus genannt wird, begann bereits vor zwanzig Jahren. Lange bevor Online-Portale und Privatrundfunk Anzeigenvolumina besetzten und den Markt enger machten, setzten die sogenannten Anzeigenblätter die etablierten Formate unter Druck und führten prompt zu Kostendruck und Cost Cutting in den Redaktionen. Die Welle, die mit dem sich mehr und mehr durchsetzenden Online-Geschäft ausgelöst wurde, war dann allerdings eine, die das, was damals begonnen hatte, vorläufig zu Ende brachte. 

Berufsbild des Journalisten 
Das Berufsbild des Journalisten hat sich dementsprechend geändert. Heute gehört es zu seinen Aufgaben, seine Chronistenpflicht als täglicher Berichterstatter mit dem zu kombinieren, was man für das Leserinteresse und den Lesernutzen hält. Wahlweise auch für den des Hörers oder Zuschauers. Da können dann Stundensendungen dabei herauskommen, in denen über ein volles Jahr hinweg der Umbau eines renommieren Hamburger Hotels mit der Kamera und dem Mikro begleitet wird. Da werden unentwegt Gewinnspiele mit Markenprodukten als Prämie angeboten, Fragen des täglichen Lebens, der Gesundheit, der Finanzen mit Verbands- und Unternehmensexperten geklärt. Sponsoren von Vereinen bekommen ihren Anteil als Dank für ihr soziales Engagement. 

Dafür hat man am Ende dann auch schon neue Disziplinen erfinden müssen, weil diese Arten der Zusammenarbeit von Verlagen, Redaktionen und PR-Interessierten weit über das hinausgeht, was ehedem der beschauliche Kommunikationsexperte aus der PR-Agentur mehr oder minder im Verborgenen auf die Beine stellen konnte. Cross Media, Social Media und vieles andere wird inzwischen genutzt und eingesetzt, um dem Kunden auf der Spur zu bleiben und ihn mit allerlei Informationen und Botschaften zu versorgen. 
Die Zusammenarbeit von PR-Experten und Redaktionen gehört heute zu den Selbstverständlichkeiten der Szene und jeder, der darin etwas Verwerfliches sehen würde, gälte als hoffnungslos antiquiert und weltfremd. Die Erkenntnis, dass Verlage ihr Geld hart erwirtschaften müssen und dass Journalismus auch nur Dienstleistung ist, die ihren Preis hat und ihren Käufer finden muss, hat das Klima völlig verändert. Hinter den Kulissen sind die unterschiedlichen Interessen von Anzeigenabteilung und Redaktion legendär und werden immer mehr zugunsten der Anzeigen entschieden. Dies auch deshalb, weil es eine wachsende Zahl von Printprodukten gibt, die ihr Geld abseits der hehren journalistischen Prinzipien verdienen. Hier ist das Ziel, Dienstleister für die werbetreibende Wirtschaft zu sein, man entwickelt passende Zielgruppenmedien, die sich an der Präsentation von Produkten und Dienstleistungen orientieren, nicht an journalistischen Berichterstattungskriterien. Von diesen teils sehr aufwändig und hochwertig produzierten Publikationen geht ein ungeheurer Druck aus, dem der Verlag nur standhalten kann, wenn er den Weg mitgeht und diversifiziert. So werden die Grenzen zwischen den Disziplinen schmaler, leichter zu überwinden, die Unterschiede werden feiner und für den Konsumenten immer schwieriger zu definieren, meist werden sie gar nicht mehr zur Kenntnis genommen. Obendrein wird kurzerhand das Interesse des Leserkunden mit dem des Anzeigenkunden in eins gesetzt und so lassen sich alle journalistischen Bedenken gegenüber einer etwaigen Vermischung von Journalismus, Werbung und PR - wie sie das Presserecht dummerweise noch kennt - leicht vom Tisch wischen und für gegenstandslos erklären. 

In einem langen Gespräch zwischen einem Journalisten und einem Medienwissenschaftler hat letzterer kürzlich (in BRAND EINS, 9/2012) den Journalisten ins Stammbuch geschrieben, sie litten an einem moralischen Rigorismus, der ihr Weltbild verdunkle und sie dazu neigen lasse, sich selbst immer wieder überkritisch zu sehen. Einen moralischen Rigorismus, der ethische Postulate fur den Journalismus über alle Geschäftsinteressen stellt, können sich inzwischen nur wenige Journalisten leisten, denen die Aufgabe zufällt, am Image des Qualitätsjournalismus im nationalen und internationalen Maßstab zu feilen. Hier in der ersten Liga werden Edelfedern und investigative Fachkräfte benötigt, die die Wettbewerbsfähigkeit ihres Blattes durch die Ergebnisse ihres journalistischen Wirkens sichern helfen sollen. Das Geschäftliche erledigen andere. Diese anderen, die Schreiber der zweiten Reihe, schreiben die Blätter zu und bedienen die Cross Media, die Tochterblätter, die mit dem Logo des Mutterblattes erscheinen und neue Geschäftsfelder erschließen, wo journalistisches Handwerk sich mit PR-Interessen kreuzt. In der dritten Reihe werden von freiberuflich tätigen Kollegen die Texte und Bilder angeliefert, die benötigt werden, um die professionell erstellten Layouts zu bestücken.

Längst ist bekannt und völlig unwidersprochene Praxis, dass Berufsanfänger, die als freie Journalisten arbeiten, sich als PR-Lohnschreiber verdingen müssen, um leben zu können. Auch in dem zitierten Gespräch ist dies ein Thema, allerdings wird die Frage nicht beantwortet, wieso eigentlich dieser Zustand so einfach hingenommen werden muss. Dass offenbar der Bedarf an journalistischen Produkten immer weiter sinkt, so dass der Nachwuchs auf eine schwache Nachfrage stößt, ist das eine Problem, warum die Branche ihr Berufsbild nicht besser schützt und entwickelt, ist die andere Frage. So kann über ethische Standards, wachsenden Kostendruck, blühenden Amateur-Onlinejournalismus und nachlassende Qualifikation gern und viel geklagt werden, am Ergebnis ändern diese rhetorischen Schaukämpfe nichts. 

Es ist denn auch kein moralischer Rigorismus, der dem klassischen Journalismus den Garaus macht, sondern ihr moralischer Opportunismus, der keine Innovationen und keine Veränderungen im Berufsbild wünscht und zulässt. Während die einen also öffentlich den Untergang der klassischen Publizistik beklagen, richten die anderen sich in den Redaktionsstuben schlicht darauf ein und arbeiten weiter. Die Denkfiguren vom zunehmenden Konkurrenz- und Innovationsdruck, von der Umverteilung auf den Anzeigenmärkten und dem wachsenden Kostendruck und dem veränderten Nutzungsverhalten der Konsumenten sind bereits übernommen und weitgehend akzeptiert, niemand mag mehr leugnen, dass ein Verlag ein wirtschaftender, profitorientierter Betrieb ist, der im Wettbewerb steht. Es gab Zeiten, da wurden solche Gedanken abgelehnt und nicht akzeptiert. 

Was der Journalist zu verlieren hatte, das war seine Unabhängigkeit, seine Freiheit von dem Zwang, seine Dienstleistung an jemand anderen als seinen Verleger und seinen Leser oder Hörer zu verkaufen. Je mehr er sich selbst als Fachkraft für informations- und Kommunikationsdienstleistungen versteht, um so mehr fällt die Verantwortung für den Markterfolg seins Produktes auch in seine Zuständigkeit. Zwar kann er noch vortrefflich schreiben und brillant formulieren, interessante, aufregende Geschichten recherchieren und brandaktuell berichten, aber dies tut er nun mit einem anderen Verständnis für das Gesamtprodukt und tut es mit einem anderen Ziel. Das größere Problem dabei besteht eher darin, dass diese Tatsache gern geleugnet wird, weniger dass sie Bestand hat.

Kein Grund zur Klage
Macht es Sinn darüber zu klagen und den alten Zeiten hinterher zu weinen? Nein, sicher nicht. Sinn würde es machen, von der Journalistenmeute zu erwarten, dass sie sich offensiv auf die geänderten Gegebenheiten einstellen und zu den Qualitätskriterien ihrer Zunft zurückkehren und die mit den Mitteln der modernen Kommunikationstechniken verbreiten. Sie dürfen nicht zulassen, dass die Grenzen weiter verschwimmen, dass der Kunde nicht mehr das Produkt bekommt, das er erwartet, sondern eine Mogelpackung, in der allerhand Informationen stecken, die er nicht haben will. Sie dürfen nicht zulassen, dass das eigene Bedürfnis nach Sensationen und Scoops zum eigentlichen handlungsleitenden Interesse wird und mehr und mehr einem Alarmismus und Sensationismus Platz macht, der entnervt, entwürdigt und entleert. Und er muss wieder klar machen, dass er nicht zu den Geheimwissenschaft gezählt werden will, dass er seinen Nutzern verpflichtet ist und niemand anderem. Da ist genug Raum für Veränderung, da ist reichlich Platz für Neues. Der Journalismus wird sich nicht behaupten, wenn er sich der PR ergibt, den Vermarktungszwängen und den Cross Over-Konzepten. Wenn er erkennbar bleiben will, muss er sich verändern. In aller Öffentlichkeit, nicht im Geheimen.

Keine Kommentare: