Foto: pixelio/W. Pfensig |
Dabei
sein ist alles.
Das ist bekann-termaßen das alte olympische Prinzip.
Was früher einmal vor allem für die teilnehmenden Sportler galt und
ihnen suggerieren sollte, dass der Sieg nicht das Entscheidende bei
den olympischen Spielen sei, kann im Zeitalter des Internets getrost
auf knapp anderthalb Milliarden Zuschauer weltweit erweitert werden.
In der Presse stand kürzlich zu lesen, dass eine UN-Resolution, die
für den Weltfrieden während der Spiele in London plädierte,
schlicht von einem naiven Weltbild zeuge. O tempora, o Mores, möchte
man da ausrufen, angesichts der mittlerweile nachvollziehbaren
Haltung zu den klassischen Friedensappellen. Aber dabei sein wollen
wir gern, dabei sein sollen wir.
Der
Olympische Rubel muss rollen, die Gelddruckmaschine des
Internationalen Olympischen Komitees ist angeworfen und die Einnahmen
fließen. 558 Millionen Euro liegen auf der hohen Kante des IOC, die
Zukunft des olympischen Gedankens ist gesichert. Doch während die
Olympioniken in den Gremien sich über diese Einnahmen freuen und
sich selbstzufrieden zurücklehnen können, sitzt der gemeine
Sportfan vor dem Fernseher und versucht den Ereignissen in London zu
folgen. Die Quoten sind gut, die Sender sind es zufrieden,
zwischendurch verfolgten 6 Millionen Zuschauer einzelne Wettkämpfe.
Sechs Millionen, die die Tennisspiele deutscher Teilnehmer
verfolgten, die ihren Idolen zusahen, wie die versuchten, sich
olympisch unsterblich zu machen.
Jedoch,
je perfekter die Spiele werden, je umfassender ihre Wirkung auf die
Infrastruktur des Gastgeberlandes auch wird, je mehr Wettkämpfe über
das Internet und die TV-Präsentationen zu sehen sind, in diesem
Masse verlieren die Spiele ihren ganz eigenen Charakter. Während des
kalten Krieges wurden die Traditionen und Überlieferungen der Spiele
allüberall betont und hervorgehoben. Wer seinem politischen
Blockgegner schaden wollte, der boykottierte ihn. Diese Zeiten sind
lange vorbei, das Ende der bipolaren Welt war das Ende jeder
Politisierung des olympischen Gedankens. Hat das irgendjemand
bemerkt? Ist das je irgendwie diskutiert worden? Genau das, was
jahrzehntelang gefordert wurde, ist nun schleichend Realität
geworden.
Und
schon ist das Spektakel nur noch das, was es lange Zeit werden
sollte: ein gigantisches Entertainment-Spektakel und das IOC ein
Unterhaltungskonzern wie andere auch. Ein Träumer, wer den
olympischen Spielen noch eine irgendwie geartete Rolle als großes
Friedensfest der Sportjugend der Welt zugestehen möchte. Pierre de
Coubertin? Ach ja, der Begründer der modernen Spiele erscheint heute
wie ein romantischer a-politischer Träumer, wenngleich es Ende des
19. Jahrhunderts eine ungeheurer kraftvolle Idee war, die da
wiederbelebt wurde. In der Rückschau muss man dem Franzosen den
Respekt zollen, der ihm in den politischen Wirren der Nachkriegszeit
oft verweigert wurde. Es umweht die olympische Idee ein Hauch von
Tragik, weil sie zu keiner Zeit so wirklich ihre ursprünglich
gedachte Wirkung entfalten konnte. Politisch missbraucht von allen
jeweils herrschenden Machthabern jeglicher Couleur sprachen die
Inszenierungen dieser Mächtigen der olympischen Idee Hohn. Trotz
alledem entwickelte sich diese Idee zu einer machtvollen
Sportbewegung mit großer sportlicher Bedeutung. Und verlor dabei
jede politische Strahlkraft.
Übrig blieb die millardenteure Veranstaltung, die ihre ganz eigene Problematik hinsichtlich Umweltverbrauch, Ressourcenvernichtung und Steuergeldverschwendung besitzt. Als Sportveranstaltung dieser Art haben die olympischen Spiele ihre Daseinsberechtigung wie die Fußball-WM, der Superbowl oder die Tour de France. Alles andere, was ihnen jemals an Bedeutung zugesprochen worden war, trifft nicht mehr zu.
Wie schlimm ist das? Wie schlimm ist es, wenn einer Sportveranstaltung der Nimbus geraubt wird, wenn es auf seine schiere Natur als Wettkampf riesigen Ausmaßes reduziert wird? Für den Wettkampf ist es unerheblich. Olympiasieger waren nie Friedenskämpfer wie Gandhi, Nelson Mandela oder Martin Luther King. also was sollte ihrem sportlichen Erfolg fehlen, wenn sie sich in einem der härtesten Wettkämpfe der Sportgeschichte durchsetzen?
Verloren
hat dagegen die Idee einer weltumspannenden Bewegung, die mehr wäre
als ein gigantisches Spektakel. Verloren hat das Vorhaben, die
Friedensidee auch durch den Sport verkörpern zu lassen. Gewonnen hat
die Kommerzialisierung, keine Frage. Die Kommerzialisierung ist
plötzlich eine der wirkungsmächtigsten verbindenden Kräfte der
Gegenwart? Die Sponsoren der olympischen Spiele, weltumspannende
Konzerne befrieden den Planeten durch Marketing und
Produktentwicklungen? Ehemals eine unfassbare, unvorstellbare
Entwicklung, beziehungsweise eine Utopie, die als theoretische
Möglichkeit gedacht wurde, von der man aber eigentlich nicht
wirklich geglaubt hat, dass es eintreten könnte.
Finden wir uns damit ab? Warum eigentlich nicht. Die Zeiten sind hart, die Konflikte werden weltweit nicht weniger, es sterben immer noch ungezählte Menschen für weniger als die Machtphantasien brutaler, gewissenloser Potentaten. Die Welt ist wahrlich kein Friedensmarsch, überraschend genug, wie wenig eine Friedensbewegung gegen das weltweite Chaos andenkt und anagitiert. Occupy? Attac? Die Piraten? Obama? War da was? Was war da doch gleich?
So sind wir also alle dabei, wir sind alle Olympioniken und lassen uns vortrefflich unterhalten. Wir spüren vor dem Fernseher, wie unsere Zeit angesichts des Überangebots verrinnt und sich in eine unendliche Abfolge von Fernsehereignissen verwandelt. Was von der großen olympischen Idee übrig bleibt, ist unser Dabei-sein, unsere Teilnahme am Fernseher.
Seien
wir bescheiden, näher als so werden wir dem olympischen Frieden
nicht kommen.
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