Fotokunst, die fasziniert (1)
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Was
hat Kunst mit der Welt zu tun? Welche Beziehung hat Fotografie zur
Wirklichkeit? Wer sich schon einmal mit den Möglichkeiten der
digitalen Fotografie befasst hat, der kann den Eindruck haben, dass
eben diese mit der Fotokunst etwas Ähnliches macht, wie es Picasso
und Braque vor hundert Jahren gewagt haben, als sie von der
gegenständlichen Malerei abrückten und die Abstraktion entdeckten,
um neue Nuancen der Abbildung von Wirklichkeit, Leben, Reflexion,
Erkenntnis und Schönheit zu erschließen. Das menschliche Auge hat
sich zwar nie der Abstraktion geschlagen gegeben und hat immer
versucht, einen konkreten Anhaltspunkt für die Deutung des Werkes in
der Wirklichkeit zu finden. Die Detailtreue der Darstellung blieb
unausgesprochen mehr oder weniger akzeptiert die Blaupause fur die
Aufschließung des Werkes. Die Künstler, denen es um nichts weniger
als wirklichkeitsgetreue Abbildung, sprich Wiederholung des allseits
Bekannten, ging, wurden so zu immer waghalsigeren Höhenflügen der
Abstraktion genötigt. Bis hin zu monochromen Flächen, farbigen
geometrischen Formen, wild dekomponierten Flächen, die versuchten,
dem Gegenständlichen Hohn zu sprechen und der Zwangsjacke des
Dokumentarischen zu entkommen.
Ähnliches widerfährt der Fotografie, lange Zeit gar nicht als Kunst akzeptiert, weil zunächst völlig uninspiriert darauf reduziert, das Offensichtliche und Allzu-Offensichtliche zu spiegeln. Schon als die ersten Fotokünstler des 20. Jahrhunderts entdeckten, welch kreativen Möglichkeiten im Foto steckten, in seiner Fähigkeit, den Moment, die Sekunde, die Einmaligkeit eines Ereignisses festzuhalten und so über das Dokumentarische hinauszuwachsen, schon damals begann die kreative Aneignung der Fotografie als eigenständiges Genre künstlerischer Möglichkeiten. Die Erfindung der digitalen Fotografie und der digitalen Bildbearbeitungsmöglichkeiten trieben die Grenzen des Machbaren immer weiter hinaus. Und damit ähneln moderne Fotokünstler ein wenig ihren künstlerischen Ahnen der Zeit des Kubismus, weil sie das Dokumentarische, das Abbildhafte, das Repetitive der Fotografie hinter sich lassen. Und wie sie das tun!
Thomas
EigelDer
Hamburger Thomas Eigel etwa wagt es, Container zu fotografieren und
nichts als die farbige Fläche ihrer Türen samt der kryptischen
Beschriftung zu zeigen. Dies ist die Abstraktion durch einfaches,
detailgenaues Hinschauen und Ablichten. Die Container, deren
galeriefähige Abbilder solch klangvolle Titel tragen wie APZU
4451568
oder HLXU
5215512,
bleiben erkennbar, was sie funktional sind, verändern aber durch
ihre schlichte Präsentation eben diese Funktionalität und werden
Form, Farbe, Gestaltung. Nichts in diesem straighten Arrangement
verführt den Betrachter dazu, die üblichen Klischees der
Globalisierung oder der Bedeutung unscheinbarer Gegenstände für den
Alltag weltweit zu zitieren. Andererseits gibt es auch nichts, was
den Betrachter daran hindern könnte, eben dies zu tun.
Damit
erhält das Bild, das Foto, einen Freiheitsgrad an Bedeutung, der
angesichts seiner technischen Entstehung überrascht. Schwer zu
sagen, wie man sich entscheiden sollte, angesichts dieser Offenheit,
dieser Freiheit. am interessantesten scheint mir die Metamorphose,
die mehr oder minder statische Metamorphose, die sich im Kopf des
Betrachters ereignet. Während das Motiv stoisch es selbst bleibt,
changiert seine Wahrnehmung im Kopf des Betrachters. Der Container
ist ein Container ist ein Container - doch was das Auge des
Betrachters aus ihm macht oder machen könnte, ist etwas völlig
Anderes. Der Fotograf erreicht diese Wirkung ohne jede Verfremdung
oder Betonung, wenn man sich der Auffassung anschließen kann, dass
die Befreiung des Gegenstandes von seinem funktionalen Kontext keine
Verfremdung darstellt.
In
der Serie wird die ästhetische Verwandlung des Gegenstandes noch
sehr viel deutlicher. Die schiere Zahl der Abbildungen unterstreicht
die Andersartigkeit der einzelnen Fotos und hebt die ästhetische
Wirkung hervor. Dies ist gewissermaßen ein geringer Tribut der
Technik an ihre neuen Möglichkeiten. Ihre Reproduzierbarkeit und
ihre Variabilität nähert das Kunstprodukt dem Charakter seines
Gegenstands wieder an und klingt leise fast wie ein Vanitas der
Gegenwartswelt.
http://www.lumas.de/pictures/thomas_eigel/hlxu_5215512/
H. G. Esch
Ähnliches geschieht in Arbeiten von Hans Georg Esch. Der Architekturfotograf richtet den geschulten Blick auf die Stein gewordenen Stadtinszenierungen weltweit. Sein Zyklus Megacities könnte sich in der Bloßstellung und ästhetischen Denunziation seiner Sujets erschöpfen und als Fundamentalkritik an der Unwirtlichkeit unserer Städte, der weltweiten Mega-Städte zumal, dienen. Wer das so sehen will, der kann das tun, die Bilder geben dies durch ihre scheinbar dokumentarische Genauigkeit durchaus her. Für diese Erkenntnis bedürfte es jedoch nicht dieser Bilder, was eher gegen die platte Erkenntnis als gegen die Bilder spricht.
http://www.lumas.de/pictures/thomas_eigel/hlxu_5215512/
H. G. Esch
Ähnliches geschieht in Arbeiten von Hans Georg Esch. Der Architekturfotograf richtet den geschulten Blick auf die Stein gewordenen Stadtinszenierungen weltweit. Sein Zyklus Megacities könnte sich in der Bloßstellung und ästhetischen Denunziation seiner Sujets erschöpfen und als Fundamentalkritik an der Unwirtlichkeit unserer Städte, der weltweiten Mega-Städte zumal, dienen. Wer das so sehen will, der kann das tun, die Bilder geben dies durch ihre scheinbar dokumentarische Genauigkeit durchaus her. Für diese Erkenntnis bedürfte es jedoch nicht dieser Bilder, was eher gegen die platte Erkenntnis als gegen die Bilder spricht.
Megacities entstand in Hongkong, Shanghai, Dubai und Chicago. Sie zeigen Panoramen dieser Riesenstädte, die sich dabei im klassischen Prunk und Glitzer der Metropolen zeigen. Und dennoch ist es keine langweilige Zimmertapete, die da präsentiert wird. Es scheint so, als erweitere das Panoramaformat auch den Blick und zeige, dass der Ausschnitt daraus nicht trügt, dass Millionen von Menschen ihre Wohn- um Arbeitsstätten und -Städte so gestalten können, dass sie in der Draufsicht das Bild von Harmonie und Gigantismus, von Schattierungen und Funkeln ergeben.
Diese
Bilder lügen nicht, denn sie leugnen an keiner Stelle die
Möglichkeit, dass die Ansicht unter dem sozialen Vergrösserungsglas
eine andere Sichtweise ergäben. Wieviel Energie und Geld jedoch in
diese Bauten, diese Städte investiert wird, um am Ende im globalen
Wettlauf ganz vorne zu landen, ist schlicht beeindruckend, wenn nicht
sogar überwältigend.
In der Quasi-Halbtotalen zeigt sich dieser Effekt denn auch ansatzweise. In großformatigen Ausschnitten zeigt Esch Häuserfronten, Büros, Wohnungen in den Cities. Und spätestens beim Betrachten dieser Bilder beginnt die Suche nach dem Menschen, der in den Megacities fast vergessen war.
In der Quasi-Halbtotalen zeigt sich dieser Effekt denn auch ansatzweise. In großformatigen Ausschnitten zeigt Esch Häuserfronten, Büros, Wohnungen in den Cities. Und spätestens beim Betrachten dieser Bilder beginnt die Suche nach dem Menschen, der in den Megacities fast vergessen war.
Die
Häuserfronten bestehen zum großen Teil aus Fensterflächen, hinter
denen sich ein reges Arbeits- und Privatleben vermuten lässt. Hier
beginnt dann der moderne Citymythos, die städtischen Legenden, die
Midnight Serenades und Night Moves, von denen die Popkultur so
übervoll ist. Aber auch hier werden keine weiteren Hinweise gegeben,
keine weiteren Szenarien angedeutet, keine tragischen Weiterungen
angekündigt. Man sitzt vor diesen Bildern und staunt bis man
beginnt, genauer hinzuschauen und Hinweise auf das Leben hinter
diesen Fassaden zu suchen. Man konnte diese Art der Fotografie auch
kalt und seelenlos nennen, weil kein einsamer Mensch am Fenster steht
(wie Floriane de Lassee es zeigt), weil es ein reines Herzeigen des
Offensichtlichen zu sein scheint. Dennoch beginnt der innere Film des
Betrachters zu laufen und die Geschichten zu den Bildern stellen sich
ganz von selbst
ein.
http://www.hgesch.de/free-works/megacities/
http://www.lumas.de/pictures/hg_esch/hong_kong_05-1/
Jörg Maxzin
Welche Möglichkeiten mit moderner Fotografie bestehen, den Menschen zu inszenieren, zeigen Arbeiten von Jörg Maxzin. Der 47jährige Augsburger wechselt gewissermaßen die Perspektive und stellt den Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeiten. Jedoch belässt er es nicht dabei, Menschen zu porträtieren oder in typischen Situationen irgendwo auf der Welt zu zeigen. Maxzin stellt seine Menschen, nachdem er sie zu Schattenrissen und schemenhaften Schattenwesen verfremdet hat, in allgemein übliche Situationen, ohne sie real zu verorten. Diesen Menschen ist in der Hauptsache die Sekunde der Darstellung geblieben, kein Ort, kein Irgendwo, nirgends. Die Menschen bewegen sich in der Menge, sind im Transit, reisen an, reisen ab, bilden Gruppen beim Lounging und bleiben dem Betrachter völlig fremd. Und auch umgekehrt scheint dies zu funktionieren, weil es kaum eine echte Identifikation mit diesen Schemenmenschen geben kann, die durch ihr Universum reisen wie wir durch unseres.
http://www.hgesch.de/free-works/megacities/
http://www.lumas.de/pictures/hg_esch/hong_kong_05-1/
Jörg Maxzin
Welche Möglichkeiten mit moderner Fotografie bestehen, den Menschen zu inszenieren, zeigen Arbeiten von Jörg Maxzin. Der 47jährige Augsburger wechselt gewissermaßen die Perspektive und stellt den Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeiten. Jedoch belässt er es nicht dabei, Menschen zu porträtieren oder in typischen Situationen irgendwo auf der Welt zu zeigen. Maxzin stellt seine Menschen, nachdem er sie zu Schattenrissen und schemenhaften Schattenwesen verfremdet hat, in allgemein übliche Situationen, ohne sie real zu verorten. Diesen Menschen ist in der Hauptsache die Sekunde der Darstellung geblieben, kein Ort, kein Irgendwo, nirgends. Die Menschen bewegen sich in der Menge, sind im Transit, reisen an, reisen ab, bilden Gruppen beim Lounging und bleiben dem Betrachter völlig fremd. Und auch umgekehrt scheint dies zu funktionieren, weil es kaum eine echte Identifikation mit diesen Schemenmenschen geben kann, die durch ihr Universum reisen wie wir durch unseres.
Es
lässt sich so gar nicht sagen, was für Menschen in was für
Zusammenhängen dort fotografisch fixiert wurden, um dann in totaler
Verfremdung wieder völlig losgelöst von unseren
Beurteilungsversuchen ihrer Wege zu gehen. Sind sie unsere
Spiegelbilder? Sind wir es selbst, die wir da sehen? Was haben die
Fremden mit uns gemein? Woher kommen sie und wohin gehen sie? Sind
sie die Bewohner der Megacities? Sie wirken unwirklich, wie
Astralleiber, die in einer unwirtlich und fremd wirkenden
Zwischenwelt gefangen sind. Auf ewig gezwungen, den Transit zu
beginnen und zu Ende zu
bringen.
http://www.lumas.de/pictures/joerg_maxzin/umbrellas_v/
Sind sie deshalb eine Warnung? Eine Mahnung? Oder pure Dekoration? Oder nur ein Spiel mit den Möglichkeiten?
http://www.lumas.de/pictures/joerg_maxzin/umbrellas_v/
Sind sie deshalb eine Warnung? Eine Mahnung? Oder pure Dekoration? Oder nur ein Spiel mit den Möglichkeiten?
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Spiel
der MöglichkeitenModerne
Fotografie ist ein Spiel mit ihren Möglichkeiten, wo es gelingt,
durchkreuzt sie die Erwartungen und legt Einsichten offen, die bisher
verdeckt waren, die so bisher nicht zutage gelegen haben. Die drei
hier genannten Meister sind rein zufällig die, die hier genannt
werden. Die Recherchen nach den namhaftesten und besten Fotografen
dieses Planeten stehen erst an ihrem Anfang. Diese Recherchereise
durch das Internet verspricht abenteuerlich zu werden, fremd,
exotisch, bizarr, selbst wenn sie Gegenden zeigen, die wir kennen,
wenn sie Zusammenhänge zitieren, die uns vertraut zu sein scheinen,
und wenn sie Situationen herstellen, in denen wir vielleicht auch
einmal waren. Fotografie ist eben nicht die Blaupause zum Verständnis
der Wirklichkeit. Fotografie ist ein Instrument der Teilhabe am Blick
eines anderen auf die Welt und in die Welt. Sie produziert
Erinnerungen, wo keine Erlebnisse waren, sie provoziert Erfahrungen,
wo uns nichts berührt hat. Sie gaukelt uns Nähe vor, wo wir mit
keinem Schritt versucht haben, die Distanz zu überwinden. Sie deutet
an, dass unser Verständnis von der Welt so subjektiv und zufällig
wie eine Fotoinstallation ist, nur dass diese geplant werden kann.
Wenn
ich malen könnte, würde ich fotografieren.
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