Er hat keinen Platz in der neuzeitlichen Literaturgeschichte Deutschlands, sein Name wird nicht im Zusammenhang mit der literarischen und gesellschaftlichen Aufbruchbewegung der 60er Jahre genannt und seine Leser müssen sich auch mehr als 50 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Heftes der Perry Rhodan-Serie als flachschürfende Freunde trivialen Literaturgutes bezichtigen lassen.
Dabei
ist diese bekannteste, erfolgreichste und langlebigste Trivialserie
um einen unsterblichen amerikanischen Ex-Astronauten, der mit Hilfe
technisch hochentwickelter Außerirdischer die Welt politisch eint
und schließlich die Terraner genannten Erdbewohner auf
Eroberungszüge ins All führt, in ihrer Bedeutung für die
Etablierung der Science Fiction-Literatur ein wichtiger Wegbereiter.
Gleichzeitig nahmen die Autoren der Serie, die inzwischen über 2500
Folgen und eine große Zahl an Nebenprodukten und Spinoffs produziert
haben, verschiedenste literarische, politische und gesellschaftliche
Einflüsse auf und verarbeiteten sie in ihre ganz besondere,
vielleicht sogar besonders deutsche Melange.
Als
sich in den frühen 60er Jahren die ersten Autoren unter der Leitung
von Karl-Heinz Scheer zusammenfanden, um eine deutsche Science
Fiction-Reihe aufzulegen, kamen dort Autoren einer Generation
zusammen, die selbst noch größtenteils aktiv den Krieg als Soldaten
erlebt hatten.
Als
Kriegsheimkehrer und Angehörige
der Aufbaugeneration der 50er Jahre hatten sie den viele
Intellektuelle und Publizisten beherrschenden Geist von Frieden und
Verständigung verinnerlicht. Gleichzeitig waren sie von den
literarischen Vorbildern geprägt, die sich nach den ersten
Erfahrungen mit der vernichtenden Gewalt der Atomkraft und den
sprunghaften Entwicklungen der Technik nach dem Zweiten Weltkrieg mit
dem Science Fiction-Genre eine wichtige Strömung entwickelt hatten.
Diese Strömung, repräsentiert durch Autoren wie Isaac Asimov, Ray
Brabury und in Europa Stanislaw Lem, zeichnete sich durch die
Verbindung technologischer Zukunftsschau in Verbindung mit der
Grenzbegehung menschlicher Möglichkeiten aus.
Technikzeitgeist, kalter Krieg, Wettrüsten
Damit
lieferte die Literatur ihren ganz besonderen Beitrag zur kritischen
Begleitung des herrschenden optimistischen Technikzeitgeistes.
Befeuert durch die Begleiterscheinungen des kalten Krieges, der sich
zunehmend zu einem militärischen und technologischen Wettrüsten
entwickelte, spiegelten die amerikanischen und europäischen
Schriftsteller die Bedingungen des Lebens im Übergang von den 50ern
zu den 60er Jahren. Zu der Zeit war es keine Perspektive anzunehmen,
dass die 60er Jahre zum Jahrzehnt des Aufbruchs und der Revolte
werden würden. Ende der 50er Jahre standen die Zeichen der Zeit auf
globalen Konflikt zwischen den Machtblöcken und ganz und gar im
Schatten der immer gegenwärtigen atomaren Bedrohung. Diese Bedrohung
war fast nirgends auf der Welt so deutlich zu spüren wie im
geteilten Deutschland, das bei einer atomaren Auseinandersetzung der
Blöcke als Ground Zero der Erstangriffe galt. Diese in Verbindung
mit der gerade erst überstandenen traumatischen Kriegserfahrung und
der kollektiven Verantwortung, die die Deutschen daran trugen, machte
die Idee, eine Unterhaltungsromanreihe zu entwickeln, die sich den
Prinzipien der Völkerverständigung und des Weltfriedens
verpflichtet fühlte, besonders attraktiv.
Erfahrung und literarische Verarbeitung
Einerseits eröffnete es den Autoren die Möglichkeit, ihre traumatischen Kriegserfahrungen literarisch zu verarbeiten und dabei gleichzeitig andererseits die eigene historische Erfahrung in der literarischen Fiktion quasi zu überwinden und in ihr positives Gegenteil umzuschreiben. Mit diesem Ansatz schufen sie eine Reihe, die in wenigen Jahren vor allem unter den männlichen Jugendlichen Deutschlands ungeheuren Erfolg zeitigte. Von der gesellschaftskritisch gestimmten Literaturkritik und den aufklärerisch gesonnenen Medien als faschistisch und beinahe volksverhetzend geschmäht, wenn überhaupt zur Kenntnis genommen, setzten die Autoren ihren Weg unbeirrt fort und malten den Weg ihres Protagonisten zu einem kosmischen Über-Helden von fast übermenschlicher Tatkraft, Weitsicht und Charisma immer weiter aus. Dabei erinnerte die Hauptfigur in ihrer moralischen und intellektuellen Vollkommenheit immer wieder an den deutschen Superhelden vom Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, Old Shatterhand von Karl May.
Einerseits eröffnete es den Autoren die Möglichkeit, ihre traumatischen Kriegserfahrungen literarisch zu verarbeiten und dabei gleichzeitig andererseits die eigene historische Erfahrung in der literarischen Fiktion quasi zu überwinden und in ihr positives Gegenteil umzuschreiben. Mit diesem Ansatz schufen sie eine Reihe, die in wenigen Jahren vor allem unter den männlichen Jugendlichen Deutschlands ungeheuren Erfolg zeitigte. Von der gesellschaftskritisch gestimmten Literaturkritik und den aufklärerisch gesonnenen Medien als faschistisch und beinahe volksverhetzend geschmäht, wenn überhaupt zur Kenntnis genommen, setzten die Autoren ihren Weg unbeirrt fort und malten den Weg ihres Protagonisten zu einem kosmischen Über-Helden von fast übermenschlicher Tatkraft, Weitsicht und Charisma immer weiter aus. Dabei erinnerte die Hauptfigur in ihrer moralischen und intellektuellen Vollkommenheit immer wieder an den deutschen Superhelden vom Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, Old Shatterhand von Karl May.
Die
Jugend der 60er Jahre reagierte auf den neuen Superhelden begeistert
und verschlang Woche für Woche seine Abenteuer mit seinen
phantastischen Freunden im Kampf mit den seltsamsten Völkern in den
Milchstraßen des Alls. Für die Jugend mag aber der Aspekt, mit
Hilfe der trivialen Science Fiction den spießbürgerlich engen
Lebensverhältnissen zu entkommen, ein unbewusster Ansporn gewesen
sein, sich dieser Art der Lektüre zu verschreiben. Ende der 60er
Jahre hatte die Reihe die Millionengrenze längst überschritten, die
alten Hefte wurden in zweiter und dritter Auflage neu aufgelegt und
immer noch gekauft und gelesen.
Verständigung über die Generationenkluft hinweg
In diesem Prozess der Lektüre begegneten sich auf der Autoren- und der Leserseite völlig unterschiedliche Generationen, die sich über die Generationenkluft hinweg verstandigten und austauschten. Die Botschaft der Autoren, die von der Notwendigkeit einer befriedeten Welt überzeugt waren, kam bei den jungen Menschen an, deren Zukunft noch immer unter der dunklen Drohung des Konfliktes der Systeme stand. Die älteren Autoren holten nach und nach jüngere Schreiber in die Redaktion, erweiterten und ergänzten den Kreis der Schreiber und nutzten geschickt die Fähigkeiten der jüngeren, die meist vom Leser zum Schreiber geworden waren, um noch mehr Leser an sich zu binden.
In diesem Prozess der Lektüre begegneten sich auf der Autoren- und der Leserseite völlig unterschiedliche Generationen, die sich über die Generationenkluft hinweg verstandigten und austauschten. Die Botschaft der Autoren, die von der Notwendigkeit einer befriedeten Welt überzeugt waren, kam bei den jungen Menschen an, deren Zukunft noch immer unter der dunklen Drohung des Konfliktes der Systeme stand. Die älteren Autoren holten nach und nach jüngere Schreiber in die Redaktion, erweiterten und ergänzten den Kreis der Schreiber und nutzten geschickt die Fähigkeiten der jüngeren, die meist vom Leser zum Schreiber geworden waren, um noch mehr Leser an sich zu binden.
In
dem Masse wie die geschichtlichen negativen Erfahrungen der
Rhodan-Urheber verblassten, in dem Masse floss der stärker werdende
Einfluss der anarchischen End-60er Jahre und der libertären 70er in
die Heftreihe ein, was den Erfolg fortsetzen half. Am Rande der
Hochkultur schaffte es eine Hervorbringung der Trivialliteratur, die
sprachlosen Generationen miteinander ins Gespräch zu bringen.
Preisgabe der Vorbilder
Es
mag den Konflikten mit der Kritik geschuldet gewesen sein, dass es
für Perry Rhodan keinen Ausweg aus seiner anthropozentrischen
Fixierung geben konnte. Die Dramaturgie der Geschichten und ihrer
Zyklen ließ es nicht zu, dass die Perspektive der Erdbewohner, der
Terraner, zugunsten einer galaktischen multikulturellen Gesellschaft
aufgegeben wurde. Die Schwerpunktsetzung auf die Eroberungsfeldzüge
der Terraner im All, ihre Verteidigungskämpfe gegen fremde
Eindringlinge und die zahllosen Abenteuer, die sich an dieser neuen
Grenze ergaben, führten zunächst dazu, sämtliche möglichen
Nebenstränge der Erzählungen außer acht zu lassen. So gab man
einen großen Teil des literarischen Erbes der Vorbilder auch wieder
preis, tolerierte dies aber ohne Skrupel angesichts des
überwältigenden Erfolgs der Serie.
Angesichts
dieser Probleme ist denn auch gar nicht verwunderlich, dass es bis
auf einen misslungenen Versuch, nicht gelang, eine Filmversion der
Reihe zu produzieren. Dies hätte die reaktionären Gehalte des
Erzählkonzeptes womöglich deutlicher herauskommen lassen, als es
wirklich gewünscht gewesen wäre. Auch spätere Versuche scheiterten
bis in die Gegenwart hinein. Es brauchte allerdings nur knapp weitere
zehn Jahre, bis 1977 mit der Star Wars Saga eine Produktion in die
Kinos kam, die nicht weniger kriegerisch, aber dabei selbstironisch
und erklärtermaßen unterhaltend wirkte.
Triviale, wirksame Utopie
Fünfzig Jahre nach dem Start der Perry Rhodan Romanserie ist die Reihe insgesamt immer noch am Markt, immer noch erfolgreich. Manche Leser haben ihr tatsächlich über diese lange Wegstrecke die Treue gehalten. Unter den Veteranen der Anfangsjahre entsteht heute das Bedürfnis, zu verstehen, was man seinerzeit unreflektiert konsumierte und was als Antwort auf den Kalten Krieg und als Reaktion auf die zarte Entwicklung der Friedensbewegung der frühen Jahre entstand und bis heute fortbesteht. Um seine Stellung im deutschen Literaturkanon wird Perry Rhodan auch heute noch kämpfen müssen, eine echte Chance hat er nicht. Aber seinen ehemaligen und aktuellen Fans war er eine Andeutung dafür, was es bedeuten könnte, würde die Menschheit sich auf ihre besseren Möglichkeiten besinnen. Eine optimistischere Utopie war nicht zu denken – und ist es wohl noch heute nicht. Und das ist keineswegs trivial.
Triviale, wirksame Utopie
Fünfzig Jahre nach dem Start der Perry Rhodan Romanserie ist die Reihe insgesamt immer noch am Markt, immer noch erfolgreich. Manche Leser haben ihr tatsächlich über diese lange Wegstrecke die Treue gehalten. Unter den Veteranen der Anfangsjahre entsteht heute das Bedürfnis, zu verstehen, was man seinerzeit unreflektiert konsumierte und was als Antwort auf den Kalten Krieg und als Reaktion auf die zarte Entwicklung der Friedensbewegung der frühen Jahre entstand und bis heute fortbesteht. Um seine Stellung im deutschen Literaturkanon wird Perry Rhodan auch heute noch kämpfen müssen, eine echte Chance hat er nicht. Aber seinen ehemaligen und aktuellen Fans war er eine Andeutung dafür, was es bedeuten könnte, würde die Menschheit sich auf ihre besseren Möglichkeiten besinnen. Eine optimistischere Utopie war nicht zu denken – und ist es wohl noch heute nicht. Und das ist keineswegs trivial.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen