Sonntag, Februar 05, 2012

Dedication 2012


Anyhow           


Leonard Cohen 2012



You know it really is a pity, the way you treat me now;
I know you can't forgive me but forgive me, anyhow.
The ending got so ugly, I even heard you say,
"You never ever loved me but could you love me anyway?"

I dreamed about you, baby, you were wearin' half your dress
I know you have to hate me but could you hate me less?
I've used up all my chances and you'll never take me back
But there ain't no harm in askin', "Could you cut me one more slice?"





I'm naked and I'm filthy and there's sweat upon my brow
And all of us are guilty, anyhow.

Have mercy on me, baby. After all, I did confess,
Even though you have to hate me, could you hate me less?
It's a shame and it's a pity
I know you can forgive me
The ending got so ugly
You never ever loved me
Dreamed about you, baby
I know you have to hate me
I'm naked and I'm filthy
All of us are guilty
Have mercy on me, baby.


dedicated to  T.  and  N.

Dienstag, Januar 17, 2012

Fans only: Leonard Cohen revisited 2012

Fans only: Leonard Cohen revisited 2012

27. Januar 2012: "Old Ideas" erscheint


Der Rock'n'Roll wird alt. Diese Erkenntnis ist nicht neu, okay. Aber an kaum einem Beispiel lässt es sich aktuell so eindeutig zeigen wie an Leonard Cohen, 77. Gut, ein Rocker war der Kanadier nie, aber er trat zu einer Zeit auf die Bildfläche der Pop- und Rockmusik als ihre große kurze Phase zwischen 1967 und 1972 einsetzte. Seitdem ist er, unterbrochen von langen Pausen, mehr oder weniger in der Rockgemeinde präsent. 



Hymnische Verehrung
Er hat sich all die Jahre die Achtung, den Respekt und die geradezu hymnische Verehrung seiner Fans erworben. Wenn man seine Reputation in Musiker Kreisen an den Namen bemisst, die ihn gecovert haben, dann reicht die Liste von His Bobness Dylan und Johnny Cash über Bono und Joe Cocker bis zu Don Henley und John Bon Jovi. Heute, wenige Tage vor dem Erscheinungstermin seines neuen Soloalbums Old Ideas, dem ersten Originalalbum seit sechs oder acht Jahren, häufen sich die zustimmenden, begeisterten Rezensionen. Cohen ist seit seinem Comeback vor etwa fünf Jahren von einer Welle der Begeisterung und Zuneigung getragen, seine drei Jahre dauernde World Tour war komplett auf drei Kontinenten ausverkauft, seine Live-DVD fand hunderttausendfachen Absatz. Wohin man also heute schaut nur Begeisterung, Zustimmung und Vorfreude auf die Neuerscheinung.

Das war auch schon einmal anders und eigentlich ist es eine der wundersamsten Entwicklungen im Pop und Rockbusiness, beziehungsweise in der Fachpresse, dass ein Künstler vom Alter und Hintergrund eines Leonard Cohen so unisono Lob und Verehrung findet. Vor vielen Jahren, Anfang der 70er Jahre, hatte seine damalige Plattenfirma in einer Presseveroffentlichung getextet, dass diese Musik jene sei, die man höre, bevor man sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufschnitte. Von diesem wohl gemeinten sprachlichen Missgriff erholte Cohen sich lange zeit gar nicht zu Zeiten als der Streit zwischen Rock und Pop, später Rock/Punk und Disco, dann Grunge, House, Hip Hop etc. Etc. tobte, gerieten alle Singer / Songwriter der Flower Power Ära ins abseits und galten bald als Ewig-Gestrige der Musikgeschichte der Gegenwart. 



Während aber Donovan, Cat Stevens, Simon and Garfunkel, Gordon Lightfoot und all die anderen ihren Erfolg weitgehend einbüßten und in Vergessenheit gerieten, blieb Cohen ständig aktiv, ohne allerdings eine Liefergeschwindigkeit wie etwa die Rolling Stones zu erreichen. Cohen machte ebenfalls schwere Krisen durch und verlor Mitte der 80er Jahre gar seinen Plattenvertrag. Als Künstler blieb er dennoch, zumindest in Deutschland, präsent. Er geriet nicht in Vergessenheit, auch wenn er sich lange Pausen gönnte, in denen man außerhalb der USA nichts mehr von ihm hörte. Er behielt seinen Status als Sänger der anderen Art von Songs, der intellektuellen Texte, des Pops mit künstlerischem Tiefgang. Und als er sich schließlich in Deutschland und der Welt mit seinem Album Various Positions und darauf mit Hallelujah wieder zurück meldete, wurde er mit offenen Armen empfangen, wenn auch noch nicht so uneingeschränkt positiv wie zwanzig Jahre später, als er seine Zeit als buddhistischer Mönch beendete, nicht zuletzt um sein verlorenes Vermögen wieder aufzubauen, um das ihn eine untreue Managerin gebracht hatte. Resultat dieses Comebacks: siehe oben. 

Vermisst: Stimmen der Kritik
Angesichts der vielen zugetanen Stimmen, der begeisterten Kritiken und der grenzenlosen Verehrung, die er heute also genießt, vermisst man fast schon kritische Stimmen, eine ausgewogene Diskussion der künstlerischen Leistungen und Hervorbringungen, eine voranbringende, erhellende Debatte pro und contra. Selbst einem eingefleischten Fan und Verehrer wie dem Schreiber dieser Zeilen fällt die Lektüre der immer gleichen Lebensbeschreibungen und Inhaltsangaben, der ausführlichen Setlists und Auftrittsdaten extrem schwer und erzeugt ein gerüttelt Maß an Überdruss und Langeweile. Cohen war einer der ersten Künstler, die ihre Fans dabei unterstützten, im Internet zum Beispiel umfangreiche Informationsplattformen anzulegen. Heute ist Cohen, mehr noch als Bob Dylan scheint mir, einer der meist dokumentierten und begleiteten Künstler der modernen Musikgeschichte. Alan Showalter, der sich als DrHGuy seine Verdienste erworben hat, und Jarkko Arjatsalo, Schöpfer der ersten Cohen-Website The Leonard Cohen Files, sind die treibenden Kräfte hinter dieser Arbeit. Es gibt vollständige Listen der im Netz erhältlichen Videos und Texte, es gibt Listen der Coverversionen und Bootlegs, sogar eine Konkordanz ist online. Für Cohen -Interessierte und -Forscher ein schier unendlich reichhaltige Fundgrube an Quellen und Informationen.

http://www.leonardcohenfiles.com/ Jarkko Arjatsalos Homepage



http://1heckofaguy.com/ Dr. Alan Showalters Homepage


http://www.leonardcohen.com Leonard Cohens offizielle Homepage

Und doch bleibt bei all dem der Eindruck zurück, dass Cohen es auf diese Weise meisterhaft verstanden haben könnte, sich selbst hinter all dem unsichtbar werden zu lassen. Was all dem zu fehlen scheint, das ist gewissermaßen seine Gegenwart auf den Seiten im Internet. Man könnte vermuten, dass Cohen dem Problem seines Freundes Dylan entgehen wollte und entgangen ist, als Prophet, Messias und Seher verehrt und missverstanden zu werden. Dylan ist in dieser Rolle eine der tragischen Figuren der zeitgenössischen Musikgeschichte und eine der am häufigsten missverstandenen obendrein. Cohen, ein völlig anderer Typ von Herkunft und Bildung her, war zeitweise sicher auch in Gefahr, das Schicksal Dylans zu teilen. Mag sein, dass er in der Kooperation ein geeignetes Mittel fand, der liebevollen totalen Vereinnahmung durch seine Verehrer zu entgehen. 

Was es also bräuchte, wäre eine kritische Auseinandersetzung mit Cohens Werk, immerhin eines bemerkenswerten Teils der Popkultur und eines bedeutenden Phänomens der Massenkultur des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Cohen ist ohne Frage, neben Dylan, der literarische Musiker, der seine Herkunft aus der Literatur nicht verleugnen kann, und will, der die Maßstäbe an Gehalt, Technik und Komplexität nicht aufgeben will, die er aus der Literatur mitgebracht hat. Hier gälte es den Quellen und Ursprüngen nachzugehen, der Art und Weise, wie er es geschafft hat, diese Einflüsse der klassischen englischen und amerikanischen Lyrik etwa in die Popkultur hinüber zu führen, ohne damit eine Sperre aufzubauen. Wie reagierte er denn auch auf die Zeitgeschichte? Als er mit seiner musikalischen Karriere begann, war er 1967 schon 33 Jahre und in Kanada ein arrivierter Literat. Als Elvis die Bühne betrat, studierte der Unternehmersohn aus Montreal gerade und veröffentlichte seine erste Gedichtsammlung 1956, als die Beatles übernahmen lebte er auf einer griechischen Insel und führte ein Hippieleben lange bevor es die Hippies gab. Als Bob Dylan the times they are a-changing sang, war er völlig ahnungslos und nahm all das gar nicht zur Kenntnis. Als die Woodstock Nation aufbrach, 1969, kämpfte er schon mit sich, den Drogen und dem Alkohol um seinen verstand, nachdem er 1967 fast über Nacht bekannt geworden war. Es ist den Filmdokumenten jener Zeit anzusehen, wie fremd er sich in der verrückten Welt der Rockmusiker gefühlt haben muss. Eine Welt, die vordergründig gegen den bourgeoisen Herrschaftsanspruch revoltierte. Eine bourgeoise Welt, die bisher seine gewesen war, auch wenn er sie in der Spielart des Bohemiens zu erobern getrachtet hatte. 

http://www.leonardcohen.com/de/oldideas 

"The Darkness" aus dem neuen Album "Old Ideas"

Von Cohen sind aus dieser Zeit keine Stellungnahmen zum Vietnamkrieg, der Bürgerrechtsbewegung, der Hippiekultur, Israel und so weiter bekannt. Fehlen sie wirklich? Cohen hat sich zu keiner Phase seines öffentlichen Lebens als politischer Kommentator aufgespielt oder angeboten, in seinen Texten gibt es immer wieder Bezüge auf historische oder politische Themen, aber sie taugen nie als politisches Statement oder Bekenntnis. Cohen und die Zeitgeschichte sind kein Miteinander eingegangen. Wie auch, die Popkultur ist in ihrem Kern nicht politisch gewesen, sie war aber immer ein Phänomen für politische Interpretationen. Und vor diesem Hintergrund lässt sich Cohens politische Enthaltsamkeit deuten und nachvollziehen. 

Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen hat sich die Popkultur auf ihren wesentlichen kreativen Kern konzentriert und sich gern gefallen lassen, als Ausdruck des Protests und des revolutionären Aufbruchs politisch festlegen zu lassen. Es hat beiden Seiten über all die Jahre genutzt und war doch eines Tages, spätestens als der Punk an sein Ende gekommen war, vorbei. Cohen aber behauptete sich als Kontrapunkt zur Rebellion auf der Strasse. Er bot eine Innerlichkeit, die sich selbst genug war, die die Anti-These zum Protest war, die den sozialen Protest um seinen humanen Kern bereicherte. Seine Helden waren keine Siegertypen, die Partisanen, Nancy, Marianne, Isaac, Suzanne und und und. Sie waren Archetypen, die aus den aktuellen Kämpfen hätten kommen können, geschlagene, geläuterte, geschundene Seelen, die gar nicht in den Kategorien eines kämpferischen Aufbruchs dachten. Und diese Spiegelung verlieh dem Protest eine Tiefenschärfe, ohne die er inhuman und sinnlos gewesen wäre. Cohen, der naive Sänger und Songschreiber, hatte einen Nerv getroffen. 

Godfather of Doom, Grand Master of Melancholia 
Es könnte Aufgabe der Wissenschaft sein, sich dieses Verhältnisses Cohens zur Zeitgeschichte anzunehmen und vor diesem Hintergrund seine Wirkung zum Beispiel in Deutschland nachzuvollziehen. Die gängige Musikkritik verdient in der Regel ihren Namen als Kritik nicht, ist lediglich die schreibende Begleitung der Moden und Bewegungen. Dies stört nicht, solange man sich auf den Fanstandpunkt zurückzieht und sich damit zufrieden gibt. Im Falle Leonard Cohens wäre es wichtig zu erfahren, wie sich das schaffen des unpolitischen Poeten in die leben so vieler Menschen eingebrannt hat. Viele Menschen um die 55 oder 60 erinnern sich liebevoll an diese lange Strecke des Wegs, den sie mit Leonard Cohen gegangen sind. Dabei ist sein Werk keineswegs leicht konsumierbar, die üblichen Kurzformeln vom Godfather of Doom, Grand Master of Melancholia oder Poet of the Heart sind die üblichen Verkürzungen und Vereinfachungen, die ein Phänomen in den Griff nehmen sollen, das sich von Anfang an eigentlich dieser Vereinnahmung entziehen wollte. Die akribische Arbeit des Allan Showalter und Jarkko Arjatsalo geben in vielen biografischen Einzelheiten Auskunft über seine Quellen der dichterischen Inspiration und die Ursprünge der Bilder und Menschen in seinen Texten. 



Auf diese Weise erschließt sich Stück für Stück das Universum des Singer / Songwriters Leonard Cohen, doch wenn man einen Raum dieses Universums betreten hat, ist er leer, der Mann selbst hat ihn langst verlassen und sich neuen Räumen zugewandt. Er hat einmal in einem Interview gesagt, er sei mit der Fähigkeit der Amnesie begabt, er könne sich kaum an die vielen Stationen seines Lebens erinnern. So gelang es ihm, sich elegant und freundlich lächelnd der liebevollen Inquisition der Interviewerin zu entziehen. Cohen hat ein fast hermetisch verschlossenes Werk der Popkultur geschaffen, das von ihm geschickt verteidigt wurde und wird gegen alle Deutungs- und Vereinnahmungsversuche. Wieder vergleichbar mit Dylan, der sich mit derselben Energie der Deutung seiner Fans entzieht, indem er sich ständig neu erfindet. 

Wenn nun also endlich wieder ein neues Album mit neuen Songs erscheint, wird sich der Zug der Bewunderer und Verehrer -hoffentlich, wahrscheinlich - wieder in Bewegung setzen, die alten Lobgesänge hervorholen und aus ihnen zitieren. Am Ende wird das lächelnde Rätsel Cohen zurückbleiben, der Sänger mit den nachsingbaren Melodien, dem unverkennbaren Bariton, dem gewinnenden Lächeln und dem selbstironischen Humor. Vielleicht entdeckt ja auch ein junger Literatur- oder Musikwissenschaftler sein Interesse an dieser bereits 45 Jahre andauernden Karriere und legt eines Tages ein analytisches Werk vor, in dem einige Rätsel gelöst wurden. Es wäre dem Werk zu gönnen und dem Autor zu wünschen. Und der Rock'n'Roll könnte noch einmal beweisen, dass er noch lang nicht zum alten Eisen gehört, auch wenn einer seiner Stars noch älter als die Rolling Stones ist.



http://www.newyorker.com/online/blogs/culture/2012/01/leonard-cohens-going-home-new-song.html
"Going home", ein weiterer Song von "Old Ideas"


Going Home
by Leonard Cohen January 23, 2012  
I love to speak with Leonard
He’s a sportsman and a shepherd
He’s a lazy bastard
Living in a suit

But he does say what I tell him
Even though it isn’t welcome
He will never have the freedom
To refuse

He will speak these words of wisdom
Like a sage, a man of vision
Though he knows he’s really nothing
But the brief elaboration of a tube

Going home
Without my sorrow
Going home
Sometime tomorrow
To where it’s better
Than before

Going home
Without my burden
Going home
Behind the curtain
Going home
Without the costume
That I wore

He wants to write a love song
An anthem of forgiving
A manual for living with defeat

A cry above the suffering
A sacrifice recovering
But that isn’t what I want him to complete

I want to make him certain
That he doesn’t have a burden
That he doesn’t need a vision

That he only has permission
To do my instant bidding
That is to SAY what I have told him
To repeat

Going home
Without my sorrow
Going home
Sometime tomorrow
Going home
To where it’s better
Than before

Going home
Without my burden
Going home
Behind the curtain
Going home
Without the costume
That I wore

I love to speak with Leonard
He’s a sportsman and a shepherd
He’s a lazy bastard
Living in a suit 

Donnerstag, Januar 12, 2012

Demokratische Melancholie  - Wulff, Presse und wir

Nun, da aus der Götterdämmerung des Bundespräsidenten mehr und mehr die Spötterdämmerung seiner Kritiker wird, solange er an seinem Amt festhält und das angekündigte Jahr des Vergessens vergehen lassen will, nun also ist es wohl an der Zeit kurz inne zu halten und sich die Frage zu stellen, was eigentlich in den vergangenen Wochen rund um die Affäre geschehen ist.

Der zähe Kampf einiger Medien um die Aufklärung der wahren Abläufe hinter der Kreditaufnahme des Bundespräsidenten und sein erbitterter Verteidigungskampf mit seinen Anwälten dagegen hat mit all seinen unprofessionellen und dilettantischen Nebeneffekten einen Blick auf die üblichen Routineabläufe auf höchster Ebene werfen lassen. Dem staunenden Volk öffnete sich für einen Moment der Vorhang und es wurden wie in einem Blitzlicht bei Nacht die handelnden Personen sichtbar, wie sie ihren üblichen Geschäften nachgehen wollten und es am Ende nicht recht konnten, weil einer die Regeln verletzt hatte. Wie und wann er das möglicherweise getan hat, bleibt wohl bis auf Weiteres im Dunkel der Zeitgeschichte verborgen. Bekannt ist nur das Resultat. 

Egal, auf welche Seite sich der Beobachter am Ende auch stellen möchte, er wurde selbst in dieser Angelegenheit alllein als Staffage benutzt, der man wesentliche Informationen uber Motive, Beziehungen und Handlungen vorenthielt. Auffällig ist doch im Verlauf der Affäre, dass beide Seiten sich immer wieder mit dem Hinweis auf denselben Wähler wahlweise auch Bürger für ihre Vorgehensweisen und Entscheidungen rechtfertigten. Verwies eine Redaktion auf das Aufklärungsbedürfnis der Bevölkerung plädierten Wulff und seine politischen Freunde für die Rückkehr zum wichtigen Geschäft des Regierens, weil die Menschen doch andere Probleme hätten. Dabei wollte die eine Gruppe eben diesem Bürger lediglich Gründe für die eigene Vortrefflichkeit und Abonnementstauglichkeit bieten und die andere sich im Amt halten. Völlig unterschiedliche Motive im einzelnen, einzig das Argument, das Amt dürfe nicht beschädigt werden, teilte man sich schiedlich. Stattdessen hantierte man mit den Begriffen der Wahrhaftigkeit, des Anstands, der Glaubwürdigkeit und so weiter und so weiter. Ist eigentlich niemandem aufgefallen, dass sich kein einziges Offizialorgan der Rechtsprechung für die Angelegenheit zu interessieren schien? Ganz offensichtlich lag der Kern der Affäre außerhalb ihrer Zuständigkeit, so dass sich selbst berufene Ermittler und Rechercheure auf den Weg machen konnten. 

So liegt also scheinbar die Verantwortung für die Verteidigung der Staatsräson, für die Einhaltung der Versprechen in den Amtseiden, die Oberaufsicht über die moralische Verfassung des Staates und seiner Vertreter bei den Medien, die nun ihrerseits völlig undemokratisch-unlegitimiert Kampagnen fahren, die das Grundgesetz zwar im Kleingedruckten zitieren, aber mehr den Regeln des Berufskodex verpflichtet sind. Deshalb ist die Lektüre der inzwischen fast zahllosen Interviews und Kommentare zum Thema so lehrreich. 
Als Quintessenz kommt dabei heraus, dass die Öffentlichkeit zu akzeptieren habe, dass der Journalist einzig den Maßgaben seines Berufsstandes verpflichtet ist und dass es so etwas wie eine moralisch-ethische Diskutierbarkeit journalistischer Standards gar nicht gibt. Zur Überraschung vieler wird aber dann oft angedeutet, dass es ja zum guten Ton der Deals genannten Abmachungen zwischen Redaktionen und Personen des öffentlichen Lebens gehört, mit Informationen und Geschichten sehr wählerisch umzugehen. Geschichten, die dem Voyeurismus des Publikums entgegen kommen könnten, werden nicht veröffentlicht, auch weil sie erkennbar nur einen begrenzten Wirkungsbereich hätten, so sie erschienen. Erst wenn eine gewisse Grenze überschritten ist, die der Fallhöhe der Person geschuldet ist, erst dann erhält die Geschichte den Vorrang und wird veröffentlicht. Dabei ist immer der Einzelfall entscheidend, allgemeingültige Standards lassen sich daraus nicht ableiten. Schlimm ist daran vor allem, dass dieser Mangel sich auch auf die Lokalebene fortsetzt, in kleinerem Umfang die Regeln journalistischen Handwerks aufweichen und ständig verschieben. Dabei hat die grenzenlose Freiheit des Internets natürlich seine Auswirkungen, ist aber nicht die einzige Ursache. Dieses Problem ist in der Wurzel älter als das Internet.

Wulff muss sich vorwerfen lassen, diesen Zusammenhang offenbar in keiner Phase seines beruflichen Wirkens verstanden zu haben. Ursache dafür könnte die Verwechslung des erreichten zeitlich begrenzten Amtes und seiner notwendigen Privilegien mit der scheinbaren Unantastbarkeit einer repräsentativen Funktion in der Gesellschaft sein. Wer ein Amt unter anderem anstrebt, um diesen Status der Unangreifbarkeit zu erreichen, der ist nicht nur falsch am Platz, sondern auch einem fundamentalen Missverständnis demokratischer Verhältnisse erlegen. Mag sein, dass vor diesem Hintergrund das dilettantische Verhalten des Bundespräsidenten erklärbar und nachvollziehbar wird. Andere haben es ja vor ihm schon vorgemacht, wie falsch man zum Beispiel mit der Salami-Taktik liegen kann. Verwunderlich, dass diese vielen schlechten Beispiele nichts an Verhaltensänderung gebracht haben. 
Das zweite Missverständnis ist offenbar die mangelnde Einsicht in die Qualität und Grundlage des Deals mit dem Medium oder den Medien. Beim Roulette gilt die Regel "Die Bank gewinnt immer", im Zusammenspiel mit der Presse gilt dies auch, die Presse gewinnt immer, weil sie sich, ohne es auszusprechen, im Stillen eine Ausstiegsklausel offen hält. Und diese Klausel beinhaltet, dass der Partner innerhalb eines begrenzten Rahmens Bewegungsspielraum und Narrenfreiheit besitzt. Erst wenn er dies falsch versteht oder sich nicht mehr an die vorgegebene Regeln hält, wird er über Nacht mit den Konsequenzen konfrontiert. Die Presse ist ein Tiger, von dem man nicht absteigen kann, wenn man versucht hat, ihn zu reiten. Deshalb tut ein jeder gut daran, auf seiner Seite zu bleiben und nicht der Versuchung zu verfallen, sich mit der Presse gemein zu machen. Politiker sollten dies per se beherzigen, Wirtschaftsleute haben in der Regel ohnehin eine gehörige Portion Skepsis, Menschen aus dem Showbusiness können anders verfahren, für sie gelten unter Umständen andere Regeln im Pressekontakt. 

Und nun also, im milden Licht der Götterdämmerung in Berlin betrachten wir Bürger das sich leerende Schlachtfeld und wundern uns darüber, wie schnell die Karawane nach der Schlacht weiterzieht und nun andere Themen bevorzugt. Es kann den erwartungsvoll gestimmten mündigen Bürger schon einmal melancholisch stimmen, wenn er auf die leise im Wind raschelnden Papierstapel, bedruckt mit schrillen Neuigkeiten und krachenden Dementis, mit brillanten Analysen und weit hergeholten Argumenten, sieht und dem Geräusch der abziehenden Karawane nachlauscht. Vorsicht vor den Medienleuten, Skepsis vor den Kandidaten für öffentliche Ämter - das ist die Folgerung aus diesen turbulenten Tagen. 
Es wird wieder solche Tage geben, wieder werden Ungereimtheiten entdeckt im öffentlichen Handeln und wieder werden Informationen über Deals und Absprachen durchsickern, von denen sich die arme Bürgerseele nichts träumen ließ. Er wird zum Zeugen eines Schauspiels gemacht, er wird als Beobachter eines Vorgangs genötigt, ohne dass es einen Anhörungstermin gäbe oder Mitwirkungsmöglichkeiten bereitgestellt würden. Mag sein, dass Wulff zurücktreten muss und zurücktreten wird, mag sein, dass die Bild-Zeitung künftig zum Blatt der Sitten und Moden für die gebildeten Stände wird, mag sein, der Wahlbürger, der brave Demokrat im Schlafrock, hat darauf keinen Einfluss, Straßenumfragen und demoskopische Erhebungen simulieren demokratische Einflussmöglichkeiten, am eigentlichen Schauspiel aber nimmt er nicht wirklich teil. 
Es geht nicht darum, jeden Bürger zum Chefredakteur h.c. zu machen oder täglich repräsentative Abstimmungen durchführen zu lassen, es ginge darum, auf derselben demokratischen Wertebasis zu handeln, die für den Bürger gilt, erkennbar die gleichen Maßstäbe fürs eigene verantwortliche Handeln anzulegen. Dann wäre etwas gewonnen. So aber behält Ferdinand von Schirach recht, wenn er sagt, Wulff vermittle den Eindruck, kein Vorbild, sondern das Abbild des Volkes sein zu wollen. Nur dass dieses Argument auch vice versa für die Presse gilt. Wenn die moralischen Maßstäbe nicht mehr stimmen und diese Ergebnisse zeitigen, dann ist es Zeit für die Götterdämmerung.
12.1.2012


 http://www.stern.de/politik/deutschland/neujahrsempfang-in-schloss-bellevue-das-dreigestirn-des-dauerlaechelns-1772961-420123e97a674c4f.html

Mittwoch, März 08, 2006

Der Kampf gegen die Dummheit.....

Es gab da mal eine Zeit, als eine große Wochenzeitschrift in ihrer Eigenwerbung mit dem Slogan warb "DER KAMPF GEGEN DIE DUMMHEIT HAT GERADE ERST BEGONNEN". Für alle Betroffenen sicher keine angenehme Vorstellung, künftig auf den Seiten einer Hamburger Feuilleton-Großmacht zu dem meist gesuchten Persönlichkeiten zu gehören. Doch was geschah? Der Markt drehte sich und das Marketing mitihr. Ergebnis: An die Stelle des Kampfes gegen die Dummheit trat irgendein anderer, x-beliebiger Slogan und das Häuflein der aufrechten Klugen stand wieder, wie zuvor, auf verlorenem Posten. Da war die die Gründung der C.I.A., der Centralen Intelligenz Agentur einiger versprengter Publizisten zwar ein wohltuendes Intermezzo, aber eben nur ein Intermezzo, das seine himmelstürmende Massenwirksamkeit nie erreichte. Wohl auch deshalb, weil Intelligenz die Sache weniger ist und vielleicht sogar bleiben muss? Je nachdem, ob man sich selbst zu den eher Dümmeren der Gesellschaft (keineswegs gleichzusetzen mit den Verlierern oder Gehandicapten) oder mehr zu den Klügeren (keineswegs gleichzusetzen mit den Gelehrten oder Gewählten)rechnet, kann man versuchen diese Frage zu beantworten oder eben auch nicht. Grundsätzlich ist der Kampf gegen die Dummheit ja schon lange kein Thema, das die Massen auf die Straßen triebe. Eher duldet man die Phänomene der Dummheit, staunt über sie und wundert sich. Immer natürlich dabei hoffend, man gehöre nicht zu den Betroffenen. Obwohl, sicher sein kann man sich darüber nicht. Dazu sollte ein jeder denn doch zu klug sein, sich einer solch fahrlässigen Vermutung zu überlassen.
Wie dem auch sei: Dummheit schützt nicht vor Erfolg, Aufstieg und Ansehen, Klugheit bewahrt nicht vor deren schrecklichen Gegenteil. Da aber ja allgemein der Kampf scheint aufgegeben worden zu sein, bleiben die Kriterien, nach denen sie sich konstatieren ließe, nach wie vor unklar, diffus, ja obskur. So obskur, dass einzig im Witz, im Scherz, derb oder sacht, im Sketch oder der Satire die Jagd auf die Dummheit und ihre Ursachen weitergehen kann. So halten uns also wieder, wie in früheren Jahrhunderten schon, die Narren den Spiegel vor, lassen die Narrenschelle klingen und setzen uns ihre Kappe auf. Nur früher, als das Wünschen klug zu sein, noch geholfen haben mag,war der Fürst als Arbeitgeber des Hofnarren immerhin noch oder schon klug genug, zu wissen, dass man sich eines Narren bedienen müsse, um die Wahrheit über den Zustand der Welt und die Denkweise der Menschen in ihr zu erfahren. Denn alle anderen sind ja zu klug, um ständig die Wahrheit zu sagen. Das käme ja womöglich dem Kampf gegen die Dummheit, dem KAMPF vor allem wieder sehr nahe, und dem geht der Kluge, weil er ja beständig nachgibt, gerne aus dem Weg. So dass also am Ende der Dümmere kampflos siegt und glücklich seiner Wege ziehen kann.
Der Klügere aber bleibt heil an Leib und Gliedern, aber geschlagen an Geist und Seele zurück, leckt seine Wunden und bleibt der miesepetrige Schlaumeier, als den ihn seine dummen Widersacher schon immer entlarvt hatten. Was bleibt? Unter Schnee zusammenbrechende Bauten und Strommasten, Reformen, die die Kosten in die Höhe treiben, statt sie zu senken, Schreiberlinge, die ihre Muttersprache nicht beherrschen, Politiker, die nichts von der Lohn- und Einkommenssteuer wissen - die Liste der Belege könnte lang sein, wenn es sie nicht weniger lustig als lästig wäre. Dabei ist nur die Dummheit unter Umständen ein Spaß, ihre Folgen dagegen meist überhaupt nicht. Aber dies weiß der Kluge, meidet die Gesellschaft der Dummen und ist deshalb zwar einsam, aber stets selbst gewiß, dass er mit seiner Klugheit in guter Gesellschaft ist: Wenn nicht nur der eigenen, dann vielleicht noch mit maximal zwei, drei anderen, deren Handynummern man bewacht wie Fort Knox.
Der Kampf gegen die Dummheit hat noch gar nicht begonnen. Das war der dumme Fehler des Werbeslogans. Wer etwas Anderes erwartet hatte, ist der wahrhaft Dumme. Also was bleibt? Weitermachen, was sonst. Dumme Sache, das.

Montag, Februar 20, 2006

Vom Tellerrand der Welt


Guten Tag erstmal vom Tellerrand der Welt in alle Himmelsrichtungen!
Hier entsteht zur Zeit das, was anderen Orts als eine Baustelle bezeichnet würde, wieder anderen Orts vielleicht als Steinbruch durchgehen würde. Vom leicht erhöhten Rand der Welt schaut es sich beschaulich und kommod in die umliegenden Ebenen, allezeit Aug' in Aug' mit den seltsamen, wunderbaren Entwicklungen und Zeitläufte. Also bis später dann, wen wir ins Tal hineinrufen und auf das Echo warten.